Julia Extra Band 0301
meine Sünden.“
„Du hast dich gut gemacht.“
„Ich habe mich immer gut gemacht, Al“, stellte er selbstbewusst fest und trat jetzt doch hinter dem Schreibtisch hervor. „Sogar als ich noch wie ein nichtsnutziger Strandhippie gelebt habe.“
Es fiel ihr schwer, sich den Mann vor ihr als faulenzenden Hippie vorzustellen, aber sie wusste, was er meinte. Als sie Peter Antonides kennengelernt hatte, lebte er sein Leben im Hier und Jetzt. Geld und Karriere interessierten ihn nicht. Er tat nur, wozu er Lust hatte.
„Ja.“ Sie nickte. „Trotzdem überrascht es mich, dass du das Strandleben aufgegeben hast. Ich dachte, das ist es, was du wolltest.“
„Was ich wollte, war die Freiheit, ich selbst zu sein. Ich wollte weg von den Erwartungen der anderen. Aber ich bin immer noch frei. All das hier habe ich mir selbst ausgesucht. Niemand hat mich dazu gedrängt. Ich bin hier, weil ich hier sein will.“ Er hielt einen Moment inne. „Doch darum geht es gar nicht. Was ist mit dir? Nein, warte. Ich bitte Rosie, uns einen Kaffee zu bringen. Oder möchtest du lieber Eistee?“
„Ich möchte nichts“, lehnte sie rasch ab. „Ich habe sowieso keine Zeit.“
„Nach zehn Jahren? Gut, fünf, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben. Also, sag mir nicht, du bist nur auf einen Sprung vorbeigekommen. Nein, Al. Du bist hier, weil du mich sehen willst. Setz dich.“
Er drückte einen Knopf an der Sprechanlage. „Rosie. Bringen Sie uns bitte einen Eistee? Danke.“
Ally atmete tief ein. Er klang definitiv wie ein Präsident. Kurz angebunden, keine unnötigen Spielereien. Diese Fähigkeit, wurde ihr jetzt klar, hatte er schon immer besessen.
Zögernd setzte sie sich. Natürlich war sie hierhergekommen, weil sie ihn sehen wollte. Es sollte jedoch ein rein zweckmäßiger Besuch sein; gemeinsam Eistee zu trinken, gehörte nicht zu ihrem Plan.
Es ist ja nichts Persönliches, redete sie sich ein. Zumindest nicht wirklich. Nur eine kleine Formalität. Eine Formalität, die schon vor Jahren hätte erledigt werden sollen.
Jetzt war der Zeitpunkt endgültig gekommen. Sie musste die Vergangenheit hinter sich lassen, um in die Zukunft blicken zu können.
Und wenn das bedeutete, sich in den Sessel neben dem Fenster zu setzen und den Blick über den East River schweifen zu lassen … schön, dann würde sie das eben tun.
Besonders leicht fiel es ihr dann allerdings doch nicht.
Auf seine windzerzauste, sonnengebräunte Art und Weise hatte Peter Antonides schon immer atemberaubend attraktiv ausgesehen. Eigentlich war er kein Mann, den man sich in einem Anzug vorstellte.
Auch bei ihrer Hochzeit hatte er keinen getragen. Nicht, dass es eine förmliche Angelegenheit gewesen wäre. Fünf Minuten in einem schmucklosen Büro im Standesamt, Gebühren bezahlen, Schwüre wiederholen, Unterschriften leisten und dann blinzelnd hinaus ins Sonnenlicht treten … verheiratet.
Nun schaute Ally ihn an und versuchte, den sorglosen jungen Mann in dieser älteren, härteren und gereifteren Version wiederzufinden.
Sein Gesicht war so braun gebrannt, wie sie es in Erinnerung hatte, nur die feinen Falten um die Augen herum waren ein wenig tiefer geworden. Aber die Augen selbst schimmerten immer noch in dem intensiven Grün des Jadedrachens, dem Lieblingskunstwerk ihrer Großmutter. Das früher lange Haar war nun kurz geschnitten. Die Schultern waren breiter geworden. Und er schien tatsächlich einen Anzug zu besitzen. Ally entdeckte das Jackett über der Stuhllehne hinter seinem Schreibtisch.
Mit zweiundzwanzig war Peter Antonides ein sexy Surfer mit weiten Strandshorts gewesen, das Handtuch stets lässig um den Nacken gelegt. Aber mit zweiunddreißig in dunkler Baumwolle und einem am Hals offen stehenden Hemd wirkte er schlicht umwerfend.
Und er weckte in ihr ein Verlangen nach Dingen, die nicht für sie bestimmt waren.
Sie schloss die Augen, um ihn nicht länger sehen zu müssen.
Als sie ihre Augen wieder aufschlug, saß Peter ihr gegenüber und beobachtete sie aufmerksam.
„So, Ehefrau, wo hast du in letzter Zeit gesteckt?“
Ehefrau? Ja, sie war seine Ehefrau, allerdings hatte sie nicht erwartet, dass er diese Tatsache so einfach ins Gespräch einfließen lassen würde.
„Mal hier, mal dort“, erwiderte sie schnell, bevor ihre verlockenden Träumereien zu einer Katastrophe führten. „Das weißt du doch.“
„Nein. Erzähl’s mir.“
„Schön“, gab sie sich zähneknirschend geschlagen. „Mach dich darauf gefasst, dich zu
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