Julia Extra Band 0301
vergehen.
Doch das war es nicht. Mit ihr zu reden und zu lachen, hatte im Gegenteil das Feuer der Sehnsucht noch weiter angefacht.
„Was ist aus der ‚Keine-Küsse-Regel‘ geworden“, fragte er heiser, als Ally nur noch in Unterwäsche vor ihm stand.
Sie kramte in ihrem Koffer, nahm eine Art Nachthemd heraus, das überhaupt nicht sexy aussah, seinen Herzschlag jedoch trotzdem beschleunigte. Sie bedachte ihn mit einem flüchtigen Blick über die Schulter. „Gar nichts.“
„Wir schlafen im selben Bett, und es wird nichts passieren?“
Jetzt richtete sie sich auf und wandte sich zu ihm um. „Tja, ich schätze, du könntest Gewalt anwenden.“ In ihrem Blick lag eine trotzige Herausforderung.
„Du weißt verdammt gut, dass ich das nie tun würde.“
„Nein, das dachte ich auch nicht.“ Mit dem Nachthemd und einem Kulturbeutel in der Hand ging sie zur Tür des angrenzenden Badezimmers und sagte so locker wie möglich: „Ich nehme eine kurze Dusche. Bin gleich wieder da.“
Damit ließ sie ihn stehen. Peter sah ihr mit offenem Mund nach, seine Kehle war völlig ausgedörrt und sein Körper … sein Körper konnte auch eine Dusche gebrauchen.
Und zwar lang und eiskalt.
Jemand – wahrscheinlich Peter – hatte ihr einmal gesagt: „Angriff ist die beste Verteidigung.“
Der Satz war ihr eingefallen, nachdem Peter verkündete, er würde mit ihr in einem Bett schlafen. Ihr erster Impuls bestand natürlich darin, ihm zu widersprechen. Aber das hatte sie in letzter Zeit so oft ergebnislos versucht.
Jetzt wieder Streit anzufangen, würde an der Situation nichts ändern.
Und mit ihm im selben Bett zu schlafen ändert etwas?, fragte Ally sarkastisch ihr Spiegelbild.
Peter hatte einen wunden Punkt getroffen, als er sie auf der Hinfahrt fragte, wann genau sie sich wie eine Betrügerin fühlte. Denn, um die Wahrheit zu sagen, empfand sie etwas sehr Starkes und Lebendiges, wenn sie Peter küsste.
Jons Küssen wohnte eine gewisse Süße inne, ein Gefühl von Geborgenheit. Diese durchaus angenehmen Gefühle verblassten jedoch vollständig im Vergleich zu der Seelenverwandtschaft, die sie bei Peters Küssen empfand.
Jon war ein wundervoller Mann. Hin und wieder fragte sie sich allerdings, ob sie eigentlich wusste, wer er wirklich war.
Sie hatte versucht, Jon und seine Arbeit besser kennenzulernen. Von sich aus erzählte er nie viel. Ihre Fragen beschied er mit knappen Antworten. „Darüber will ich nicht reden“, erwiderte er oft. „Wenn ich mit dir zusammen bin, möchte ich nicht an die Arbeit denken.“
In gewisser Weise verstand sie das, fühlte sich indes gleichzeitig ausgeschlossen. Und manchmal schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, Jon könne sie für zu dumm halten, um seine Erklärungen zu verstehen.
Peter hatte ihr heute von seinem Windsurfer erzählt, den er entwickelt hatte. Zwar begriff sie nicht bis ins letzte Detail, wie das Sportgerät funktionierte, aber was zählte, war, dass Peter sich überhaupt die Mühe gemacht hatte, es ihr zu erklären. Und das Leuchten in seinen Augen zu sehen, wenn er von den Verbesserungen erzählte, die er in Brett und Segel integriert hatte, bedeutete ihr mehr als das Verständnis technischer Finessen.
Anstatt Peter ein für alle Mal aus dem Kopf zu bekommen, indem sie ihm die Scheidungspapiere persönlich überbrachte, hatte sie mit ihrem Besuch die Büchse der Pandora erst wirklich geöffnet.
Wie sollte sie all die Gefühle, die Beziehungen, die sie in den wenigen Stunden mit seiner Familie geknüpft, hatte und erst recht ihre neu erwachten Sehnsüchte nur je wieder in die kleine Blechdose einsperren?
Und die Nacht im Bett mit Peter zu verbringen, würde wohl auch nicht zum Schließen der Büchse beitragen.
Doch als sie die Schlafzimmertür öffnete, starrte sie verwundert auf das Bett.
Es war leer. Peter war fort.
Lukas bedachte Ally mit einem forschen Blick, als sie am nächsten Morgen zum Frühstück die Treppe hinunterkam. „Wow“, sagte er heiter. „Muss ja eine tolle Nacht gewesen sein.“
Es war kurz nach acht, aber Schlaf hatte sie nur wenig gefunden. Wohl ein halbes Dutzend Male hatte sie überlegt, Jon anzurufen.
Aber sie rief ihn nicht an. Die meiste Zeit über galten ihre Gedanken allein Peter und seiner Reaktion auf ihre Worte.
Inständig wünschte sie sich, sie könnte sie zurücknehmen, sich entschuldigen. Und sie schwor sich, ihn um Verzeihung zu bitten, sobald er wieder auftauchte.
Wach liegend, bei jedem Geräusch, das vom
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