Julia Extra Band 0301
angelangt.
Bevor Ally eine Antwort einfiel, meinte Peters Großmutter: „Da kommt Martha. Du wirst sie mögen.“
Eine hübsche Frau mit einem Kleinkind auf der Hüfte steckte ihren Kopf zur Küchentür hinein.
„Oh, da bist du ja“, sagte sie zu Ally. „Ich habe dich schon gesucht. Darf ich sie dir entführen, Yiayia ? Ich möchte ein bisschen mit meiner Schwägerin plaudern.“
Wurde sie jetzt von der nächsten Schwester auf dieselbe Weise wie von Cristina und Yiayia in die Mangel genommen?
„Gehen wir an den Strand“, schlug Martha vor. „Eddie kann im Sand spielen.“
Verwirrt folgte Ally ihr die Treppe hinunter zum Meer.
„Ich habe eines deiner Werke in der Galerie von Gabriela gesehen“, begann sie auf dem Weg dorthin das Gespräch. „Es ist fantastisch.“
Gleich darauf verflüchtigten sich alle Befürchtungen, die sie wegen Martha vielleicht gehegt haben könnte. Freudestrahlend blickte die andere Frau sie an. „Du warst da? Stellt Gabriela dich auch aus?“
Es folgten hundert weitere interessierte Fragen, über ihre Kunst, ihre Geschäfte, über ihre Ideen. Ganz offensichtlich war Martha begeistert davon, endlich die Frau ihres Bruders kennenzulernen.
„Wir müssen uns demnächst mal in Ruhe treffen. Ich glaube, wir haben viel gemeinsam.“
Was sollte sie darauf antworten? Nein, haben wir nicht?
„Das wäre schön“, sagte sie also stattdessen. Was durchaus der Wahrheit entsprach, das Problem war nur …
Martha bemerkte ihr Zögern. „Ich wollte dich nicht überfallen“, entschuldigte sie sich.
„Nein, nein“, erwiderte Ally rasch. „Es ist nur so, dass wir noch keine Pläne gemacht haben, Peter und ich. Wir haben Einiges zu besprechen.“
„Natürlich. Es muss seltsam sein, nach so vielen Jahren wieder zusammenzukommen.“
Ally nickte. „Und wir müssen uns erst wieder neu kennenlernen.“
„Warum bist du eigentlich so lange fort gewesen?“
„Tja, irgendwie gab es immer etwas zu tun. Und Peter hat mich ja geheiratet, damit ich all die Dinge, von denen ich geträumt habe, tun konnte. Und ich hatte Erfolg mit meiner Arbeit. Also habe ich immer weitergemacht. Ich glaube, ich dachte, auch Peter würde sein Leben weiterleben.“
„Wie hast du ihn denn überhaupt gefunden?“
Ally erzählte Martha, dass sie wegen des Herzinfarkts ihres Vaters nach Hawaii zurückgekommen war und nach Peter Ausschau gehalten hatte. „Ich dachte, er wäre vielleicht immer noch am Strand“, gab sie zu. „Aber das war er nicht.“
„Und du musstest dich richtig auf die Suche nach ihm machen! Wie romantisch!“
Cristina hielt Peter für einen Romantiker. Martha glaubte, sie sei romantisch.
„Eddie! Pfui! Das sollst du doch nicht in den Mund stecken!“ Schnell beugte sie sich zu ihrem Sohn hinunter und hob ihn auf den Arm. Sie nahm ihm ab, was auch immer er gerade hatte verspeisen wollen, und warf es ins Meer. „Kinder! Was soll ich nur tun, wenn ich zwei davon habe?“, stöhnte sie.
„Bist du …?“ Zweifelnd betrachtete Ally Marthas flachen Bauch.
Martha nickte glücklich. „Der Geburtstermin ist für Januar ausgerechnet. Was ist mit euch? Habt ihr schon über Kinder gesprochen?“
„Nicht … viel.“
Das war zumindest nicht ganz gelogen. Sie hatten über Kinder geredet … die sie hoffte, bald mit Jon zu bekommen.
„Ihr steht noch ganz am Anfang. Das wird schon.“
Ally antwortete nichts. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Die hellen Sonnenstrahlen ließen ihre Augen tränen. Sie schluckte und wandte den Kopf ab.
Als Kind war Ally eine Leseratte.
Seit sie die Worte entziffern konnte, hatte sie so viel Zeit wie möglich in Bibliotheken verbracht und ihr Taschengeld für Bücher ausgegeben. In ihnen hatte sie neue Welten entdeckt, Welten, in denen sie Teil von fröhlichen und chaotischen Familien sein konnte.
Nach dem Tod ihrer Mutter hatte Schweigen Einzug in ihre Familie gehalten. War Hiroshi Maruyama schon zuvor kein überschwänglicher Mann gewesen, so schien er nun auch die Fähigkeit zu lächeln verloren zu haben.
Erst nachdem sie Peter geheiratet und von ihrem Vater weggelaufen war, bekam ihr Leben eine positive Wendung. Nur dadurch hatte sie den Freiraum erhalten, ihre Talente zu entdecken, neuen Herausforderungen zu begegnen und schließlich das Leben führen zu können, von dem sie schon immer geträumt hatte.
Aber als sie am Krankenbett ihres Vaters saß, wurde ihr bewusst, dass ihr etwas im Leben fehlte. Während der endlosen Tage im Krankenhaus, in
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