Julia Extra Band 0302
füllte er mit prägnanter Handschrift den Scheck aus, ehe er ihn auf den Tisch legte. Ihr Blick kehrte zu ihm zurück, doch sie konnte in seiner Miene nicht lesen. „Ich feilsche nie um das, was ich will, Miss Turner“, informierte er sie mit Nachdruck. „Dies ist mein erstes und letztes Angebot. Ich biete Ihnen eine Million Pfund für meinen Neffen. Machen Sie damit, was Sie wollen.“
Verständnislos sah sie ihn an. Das konnte nicht wahr sein. Dieses Stück Papier auf dem Tisch vor ihr konnte kein Scheck über eine Million Pfund sein – für ein Kind. Immer noch starrte sie auf den Scheck, als Nikos Theakis mit seinen Ausführungen fortfuhr.
„Mein Neffe“, sagte er und seine Stimme hatte nun einen weicheren Klang, „wird eine wunderschöne Kindheit haben. Meine Mutter ist eine sehr liebevolle Frau und wird ihren Enkel in ihr Herz schließen. Er wird bei ihr in Griechenland in unserer Villa auf meiner Privatinsel leben, und es wird ihm an nichts fehlen.“ Er schenkte ihr ein kühles Lächeln. „Wie Sie sehen, können Sie das Geld also reinen Gewissens annehmen.“
Ann vernahm seine schrecklichen Worte, ohne sie richtig zu begreifen. Nichts konnte sie erfassen, außer diesem Stück Papier auf dem Tisch.
Ungeheuerlich! Abscheulich!
Der Druck in ihrer Brust schien sie fast zu zerreißen. Erst als er zur Tür ging, konnte sie endlich den Blick von dem Papier abwenden.
„Ich komme am Wochenende zurück“, verkündete er. „Dann werde ich alle nötigen Papiere dabeihaben, und Sie werden mir meinen Neffen überlassen.“ Der harte Unterton kehrte in seine Stimme zurück. „An Ihre Bezahlung ist noch eine Bedingung geknüpft: Jeglicher Kontakt zu meinem Neffen ist in Zukunft untersagt – denn der Kontakt zu den Verwandten seiner verstorbenen Mutter wird ihm nicht guttun. Und noch eins: Meine Mutter hat mich gebeten, Ihnen einen Brief von ihr zu geben. Sie weiß nichts von dem verkommenen Leben Ihrer Schwester oder Ihren ärmlichen Verhältnissen.“ Er zog einen verschlossenen Umschlag aus seiner Jackentasche und legte ihn neben den Scheck. „Sie sollten diesen Brief auf keinen Fall beantworten. Und Sie sollten auch nicht versuchen, den Scheck jetzt schon einzulösen. Das Geld wird erst ausgezahlt, wenn ich meinen Neffen habe.“
Damit verließ er den Raum. Noch immer benommen hörte Ann, wie wenig später eine Autotür zuschlug und ein Motor aufheulte. Ungläubig und voller Abscheu ging ihr Blick zurück zu dem Scheck, ehe er langsam zu dem Brief weiterwanderte. Gedankenverloren nahm sie ihn vom Tisch und öffnete ihn. Ihr wurde das Herz schwer, als sie Sophia Theakis’ Zeilen las.
Sie können sich nicht vorstellen, wie glücklich ich war, als Nikos mir von Andreas’ Sohn erzählte. Ich hatte das Gefühl, dass meine Gebete erhört worden waren. Es wäre ein Segen für mich, diesem Kind, das so einen tragischen Verlust erleiden musste, ein liebevolles Heim schenken zu dürfen. Sollten Sie es, trotz der Trauer über den Verlust Ihrer Schwester, über Ihr Herz bringen, mir diesen Wunsch zu erfüllen, werde ich Ihnen auf ewig dankbar sein. Wir werden ihn achten und lieben, sein Leben lang.
Bitte vergeben Sie einer Frau, die ihren Sohn verloren hat, diesen selbstsüchtigen Wunsch, ihr Enkelkind aufzuziehen. Aber Sie sind jung und haben noch Ihr ganzes Leben vor sich.
Aus jedem Satz sprach Hoffnung und tiefe Trauer. Anns Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Was sollte sie nur tun? Was wäre das Beste für Ari? Würde bei seiner Großmutter tatsächlich ein richtiges Zuhause voller Liebe auf ihn warten? Wäre das ein besseres Zuhause, als sie es ihm bieten konnte, oder wäre es nur luxuriöser. Ein Kind brauchte vor allem Liebe und emotionale Sicherheit, viel mehr als materielle Absicherung.
Ein Schatten legte sich über Anns Gesicht, als sie daran dachte, dass Carla ihr früher diese emotionale Sicherheit gegeben hatte. Und sie hatte sich an ihre ältere Schwester geklammert, die einzige Konstante in einer sonst unsicheren Welt, nachdem ihre Mutter gestorben war. Würde es tatsächlich das Beste für ihren Neffen sein, wenn er bei seiner Großmutter aufwuchs? Ein schmerzhafter Stich durchfuhr sie, denn sie kannte die Antwort bereits.
Andraes hätte dies sicherlich gewollt, denn er hatte während der kurzen Zeit, die sie ihn kannte, oft voller Liebe von seiner Mutter gesprochen. Und er hatte Ann erzählt, dass seine Mutter Carla sicher willkommen heißen und ihr Kind mit offenen Armen empfangen
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