Julia Extra Band 0302
sorgfältig er ihre Wunde verarztete. Sein Kopf war ganz nahe an ihrem, und gedankenverloren sah sie auf die Wellen seines fast blauschwarzen Haares. Sacht blies sie hinein und brannte darauf, mit den Fingern durch die dunklen Strähnen zu fahren, nur um zu wissen, wie sie sich anfühlten.
Vollkommen in Gedanken versunken, bekam sie kaum mit, dass Jonas fast fertig war. Erst als sie seine Lippen auf ihrer Wunde spürte – gedämpft nur durch das Pflaster, das er auf ihre Haut geklebt hatte –, fuhr sie verblüfft auf. Einen Moment später fühlte sie seine Lippen ganz sanft auf ihrem Handrücken. Es nahm ihr den Atem.
„Was tun Sie da?“, keuchte sie und spürte ihre Herz hämmern.
Jonas hob den Kopf, und sie sah das spitzbübische Glitzern in seinen Augen. Er ließ ihre Hand nicht los, sondern fuhr fort, sie zu liebkosen. „Etwas, das ich schon das ganze Wochenende tun wollte. Ich küsse dich“, erklärte er mit einer Stimme, die so dunkel und warm war wie eine Nacht voller Leidenschaft.
Aimi verlor das Gleichgewicht. Wie hypnotisiert starrte sie ihn an. „Sie gehen zu weit“, protestierte sie, doch ihre Worte klangen kraftlos.
Seine Lippen verzogen sich zu einem wissenden Lächeln, während er in ihrem Gesicht forschte. „Im Gegenteil. Ich bin noch längst nicht weit genug gegangen. Und das weißt du, Liebling“, korrigierte er sie rau, während ihre Nerven vor Anspannung zu zerspringen drohten.
„Bilden Sie sich nicht ein zu wissen, was ich denke!“, widersprach sie, doch sie ahnte, dass sie schon verloren hatte.
Jonas lachte zärtlich und ließ einen Finger zärtlich über ihre vollen Lippen gleiten. „Das ist keine Einbildung. Ich weiß es einfach. Wir beide wissen es. Von dem Moment an, als wir uns zum ersten Mal begegnet sind.“
Aimi wusste, dass es stimmte. Doch sie nahm all ihre Kraft zusammen, um ihm zu widerstehen, atmete tief durch und sagte: „Ich weiß überhaupt nichts. Ich habe Sie jedenfalls nicht zu irgendwelchen wilden Fantasien ermutigt.“
In seinem Lachen schwang Spott. „Aimi, du weißt, dass du mich nicht ermutigen musst. Wir verstehen uns auf einer ganz anderen Ebene.“
Aimi war schockiert. Er sprach aus, was auch sie die ganze Zeit gefühlt hatte und doch niemals mehr fühlen wollte, durfte. Sie entzog ihm ihre Hand, dankbar, dass er keine Anstalten machte, sie zurückzuhalten. „Ich werde jetzt gehen. Das höre ich mir nicht länger an.“
„Du kannst vor der Wahrheit nicht davonlaufen. Wir wissen beide, wie sehr wir uns begehren. Mit jedem Atemzug, mit jedem Herzschlag.“
O ja, sie wusste, was er meinte. Und sie konnte es nicht ändern, sosehr sie es auch wünschte. Sie fühlte sich so stark von ihm angezogen, dass sie glaubte, ihr Herz müsse zerspringen. Niemals hatte sie es für möglich gehalten, dass ihr so etwas noch einmal passieren könnte, nachdem sie Lori damals verloren hatte.
Die Erinnerung an jene traumatische Zeit brachte sie wieder zur Besinnung. Sie hob ihr Kinn. „Vielleicht stimmt es sogar. Aber ich werde mich trotzdem nicht auf Sie einlassen, Jonas.“ Sie musste nur resolut genug auftreten, dann hatte sie die Situation wieder im Griff.
„Das hört sich gut an, aber wir wissen beide, dass du das nicht ernst meinst“, gab er zu Bedenken und nahm ihr mit diesen Worten die Luft.
„Natürlich meine ich das ernst! Warum sollte ich nicht?“, wies sie ihn zurecht.
Energisch schüttelte er den Kopf und lachte auf. „Weil diese Leidenschaft nicht so einfach wieder verschwinden wird. Wir müssen uns dieser Liebe stellen“, erklärte er mit solcher Inbrunst, dass sie ihn sprachlos anblickte.
„Ich werde mich niemals auf eine Affäre mit Ihnen einlassen“, erwiderte sie schließlich unverblümt.
Wenig überzeugt lächelte er. „Wir werden sehen. Ich nehme die Herausforderung an.“
Sie wurde wütend. Seine Selbstüberschätzung war unglaublich. „Halten Sie sich von mir fern, Jonas“, befahl sie und verlieh ihrer Aufforderung Nachdruck, indem sie aufstand und hoch erhobenen Kopfes auf die Tür zuging.
Wutschnaubend machte sie sich klar, dass sie der Familie so nicht gegenübertreten konnte. Sie brauchte Zeit, um nachzudenken und ihre innere Ruhe wiederzufinden. Schon zum zweiten Mal hatte er ihren Schutzwall niedergerissen – müheloser noch als beim ersten Mal. Sie musste ihn wieder aufbauen, und zwar schnell.
Aimi steuerte die Bibliothek an. Dort ließ sie sich, ohne Licht zu machen, in einen der breiten, gemütlichen
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