Julia Extra Band 0303
sein ganzes Leben lang kannte, wusste, dass es keinen Zweck hatte, auszuweichen. „Wir wollten im Mondschein schwimmen gehen, dabei ist Miss Bond gestolpert, hingefallen und hat sich den Kopf an einem Felsen aufgeschlagen.“
„Das war wohl die offizielle Version“, vermutete der lebenskluge Mann mit einem feinen Lächeln. „Und was ist wirklich passiert, Junge?“ Mit der vertraulichen Anrede degradierte Alain Pascale den Vicomte von einer Sekunde zur anderen vom erwachsenen Mann zu dem kleinen Knirps von damals, dem er etliche aufgeschürfte Knie verbunden und heimliche Tränen getrocknet hatte.
Rowe rieb sich mit der Hand übers stoppelige Kinn. „Wir hatten eine Auseinandersetzung. Sie lief vor mir weg, und dabei …“
„Dann weißt du inzwischen offenbar über Jeffrey Bescheid“, unterbrach ihn der Ältere und klopfte Rowe aufmunternd auf die nackte Schulter. „Seit Prinz Maxim mir von deiner Zusammenarbeit mit Kirsten erzählte, habe ich mich gefragt, wie lange es dauern würde, bis du die Wahrheit herausfindest.“
„Was sagen Sie da?“ Ungläubig starrte Rowe den Arzt an.
„Als ich das letzte Mal zum Sommerfest für die Angestellten von Château Merisand hier war, habe ich Kirsten und ihren Sohn beim traditionellen Picknick kennengelernt“, erzählte Alain schmunzelnd. „Den kleinen Jeffrey zu sehen war so, als betrachte man ein Bild von dir im gleichen Alter. Er ist dein Sohn, nicht wahr?“
Rowe stieß zischend den angehaltenen Atem aus. „Weiß sonst noch jemand davon?“
„Das bezweifele ich. Selbst wenn die Ähnlichkeit auffallen sollte, wird man es vermutlich als Zufall abtun. Niemand kennt deine Familie so gut wie ich. Die ärztliche Betreuung von drei Generationen königlicher Patienten vermittelt einem gewisse Einsichten …“
Rowe runzelte die Stirn. „Ich habe die Ähnlichkeit sofort bemerkt, als ich den Jungen zum ersten Mal sah, aber ich konnte keinen Bezug zu mir herstellen, da ich wusste, dass Kirsten und ich niemals ein Paar waren.“
„Soweit du dich erinnern kannst …?“
„Nicht Sie auch noch!“
Alain lachte. „Geschieht dir ganz recht. Du hättest dich schließlich längst mit einer reizenden Frau irgendwo niederlassen und eine Familie gründen können?“
„Das überlasse ich meinen Cousins. Es ist nämlich verdammt schwer, die Frau fürs Leben zu finden.“
„Bis jetzt. Als ich bei eurer Ankunft den Ausdruck auf deinem Gesicht sah, wusste ich Bescheid“, sagte der alte Arzt gedankenvoll. „Du liebst sie, nicht wahr?“
Kann das sein? Liebe ich Kirsten Bond?
Rowe war sich nicht sicher, ob er überhaupt wusste, was Liebe war.
„Na komm, zerbrich dir nicht unnötig den Kopf. Das Wichtigste ist, die kleine Lady so schnell wie möglich wieder auf die Beine zu bringen, oder nicht?“, versuchte der Arzt, Rowe aus seiner plötzlichen Versunkenheit zu reißen. „Laut Prinz Maxim ist sie eine wahre Perle.“
Ja, das ist sie … eine Perle. Kostbar und rar.
Und er allein trug die Schuld daran, dass Kirsten jetzt verletzt in einem Krankenbett lag! Der Gedanke machte ihn einfach rasend. „Wie lange muss sie auf der Krankenstation bleiben?“
Die ärztliche Notaufnahme und Pflegestation befanden sich im Westflügel der zum Château gehörigen Apartmentanlage, in der auch Rowe wohnte.
„Wahrscheinlich nur über Nacht, aber sie wird auch zu Hause noch einige Tage betreut werden müssen.“
„Nein, muss sie nicht“, entschied Rowe spontan. „Ich habe bereits veranlasst, die Suite neben meiner vorzubreiten, wo sie mit Jeffrey einziehen wird. Ich selbst werde mich um die beiden kümmern.“
Alain hob die Brauen. „Bravo … ein Festtag für sämtliche Paparazzi und Schmierfinken der Regenbogenpresse.“
Rowe lächelte schief und schaute bezeichnend an sich herunter. „Für derartige Überlegungen ist es wahrscheinlich ohnehin viel zu spät.“
Alain Pascale lachte. „Na dann … rein ins Gefecht!“
Ganz plötzlich wurde Rowe wieder ernst. „Danke“, sagte er aus vollem Herzen.
„Schon gut. Los geht’s, Eure Lordschaft …“
In der Notfallstation händigte Dr. Pascale Rowe einen weißen Kittel und eine dazugehörige Hose aus, was dieser hastig überzog, bevor er sich auf den Weg zu Kirstens Krankenzimmer machte.
Sie empfing ihn mit einem Lächeln. „Hast du den Beruf gewechselt?“
Ihr Anblick, wie sie so blass und schmal in den sterilen weißen Kissen lag, schnürte ihm den Hals zu. „Nur vorübergehend“, murmelte er rau. „Wie
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