Julia Extra Band 0303
wie wichtig möglichst abwechslungsreiche, interessante und amüsante Lehrstunden waren.
Die Herde kam stetig voran. Wie Steve einmal erwähnte, waren zehn Kilometer am Tag guter Durchschnitt. Beim Planen der Route musste vor allem darauf geachtet werden, dass die Tiere spätestens jeden dritten Tag getränkt wurden.
Wichtig war auch, die Besitzer der Farmen entlang der Route von dem Viehtrieb zu informieren. Wenn nämlich zwei Herden durcheinandergerieten, mussten sie mühsam und zeitraubend neu gemustert werden.
Je mehr Kate über den Viehtrieb lernte, desto mehr bedauerte sie, nicht direkt daran teilnehmen zu können. Natürlich hatte sie eine sehr wichtige Aufgabe zu erfüllen, und sie genoss auch Olivias Gesellschaft, denn das Kind war gut erzogen, lebhaft und fantasievoll.
Es überraschte Kate, wie unproblematisch Olivia war, obwohl ihre Eltern sich erst vor Kurzem getrennt hatten – und das nicht in bestem Einvernehmen.
Trotzdem, wie schön wäre es, der Herde zu folgen! Unter diesem unglaublich hohen, strahlend blauen Himmel durch die weite Landschaft zu reiten … und Noah öfter zu sehen, ihn bei der Arbeit zu beobachten.
Alles, was er tat, machte er gut. Es war ein Genuss, ihm zuzusehen, wie er ein Tier zur Herde zurückdrängte, das auszubrechen versuchte. Auf dem Rücken seines Pferds wirkte er direkt glücklich und lächelte oft.
Schade, dass er nicht immer so ist, dachte Kate mehr als einmal.
Eines späten Nachmittags, als Noah Olivia Reitstunden gab, beschloss Kate, ihre eigenen Kenntnisse wieder aufzufrischen. Sie hatte das Reiten vor neun Jahren auf Radnor gelernt und viel Freude daran gehabt. In England hatten sich ihr nur wenige Gelegenheiten geboten, aber jetzt war der richtige Zeitpunkt gekommen, es wieder zu versuchen.
Steve ermunterte sie, es auf Missy zu probieren.
„Sie ist ganz sanftmütig, genau die Richtige für ‚Anfänger und Wiedereinsteiger‘ wie es bei Abendkursen heißt. Oder in deinem Fall, Kate, Wiederaufsteiger!“, scherzte er gutmütig.
Plötzlich bekam sie Bedenken. „Aber vielleicht hat Noah etwas dagegen?“
„Bestimmt nicht. Du brauchst keine Angst vor ihm zu haben“, beruhigte Steve sie, als er ihren raschen, skeptischen Blick zu Noah bemerkte. „Er ist der geradlinigste, fairste, überhaupt beste Mann, der mir je begegnet ist.“
„Das klingt ja fast, als wäre er dein Held!“
„Jetzt, wo du’s sagst, Kate: Ja, das ist er“, bestätigte Steve ungewohnt ernsthaft.
„Wie schön für dich. Übrigens habe ich keine Angst vor Noah.“ Kate lächelte strahlend. „Hilfst du mir jetzt aufs Pferd?“
„Ja, klar. Ich hol nur erst den Sattel.“
Alles ging gut bis zu dem Moment, als Kate sich tatsächlich auf Missys Rücken schwingen wollte. Ausgerechnet da kam nämlich Noah dazu und wollte wissen, was los sei.
„Nach was sieht es denn aus?“, erwiderte Kate herausfordernd. „Ich möchte reiten.“
Sein Ausdruck wurde immer skeptischer.
„Ich kann reiten, Noah! Onkel Angus hat es mir beigebracht, wie du dich vielleicht noch erinnerst“, meinte sie spitz und wandte sich zu Missy um.
Die wirkte mit einem Mal hoch wie ein Berg.
Wie soll ich da jemals raufkommen, vor allem wenn Noah mich so kritisch beobachtet, dachte Kate panisch.
„Ich kann nicht“, flüsterte sie Steve zu, der ihr den Steigbügel hinhielt.
Doch dann besann sie sich auf ihren Stolz. Sie durfte jetzt nicht aufgeben. Sie wollte diese Aufgabe meistern.
„Es ist ganz leicht“, rief nun Olivia hinter ihr.
Kate atmete tief durch. Sie schob den linken Fuß in den Steigbügel, umfasste den Sattelknopf und stieß sich mit dem rechten Fuß ab.
Bevor sie recht wusste, wie ihr geschah, saß sie auf dem Pferd und blickte aus luftiger Höhe auf Steve, der sie angrinste, Olivia, die ebenfalls strahlend lächelte, und Noah, der zumindest nicht mehr finster aussah.
Tatsächlich schimmerte die Andeutung eines Lächelns in seinen Augen, als er sagte: „Okay, Kate, du hast mich überzeugt. Dann viel Vergnügen!“
Zuerst war sie ein bisschen erschrocken, als das Pferd loslief, dann erinnerte sie sich an die Anweisungen von Onkel Angus damals, und bald fühlte sie sich sicher genug, um es mit Trab zu probieren.
Den fand sie reichlich unbequem, bis ihr einfiel, dass man sich, in den Steigbügeln stehend, rhythmisch aus dem Sattel hob. Ab da war es einfach herrlich!
Der Wind fuhr ihr durchs Haar, die Hufe donnerten über den ebenen Boden, und über ihr wölbte sich tiefblau der
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