Julia Extra Band 0303
„Jedenfalls brachte Angus mich in die Küche, wo im Kamin ein schönes Feuer brannte. Und davor stand ein Korb mit schlafenden Welpen. Sie waren erst wenige Wochen alt, noch ganz kleine wuschelige Knäuel. Angus sagte mir, ich solle mir einen aussuchen, der ganz allein mir gehören würde. Und dann …“ Noahs stimme klang plötzlich ganz rau, „… durfte ich den kleinen Hund mit ins Bett nehmen.“
„Wie lieb von Angus“, meinte Kate gerührt.
„Ja, es war der beste Trost für einen einsamen kleinen Jungen wie mich.“
„Onkel Angus war gar nicht so schroff, wie er gern tat, glaube ich“, sagte sie anerkennend.
„Er hatte die sprichwörtliche raue Schale mit dem weichen Kern“, stimmte Noah zu.
„Manche sagen jetzt bestimmt, er hatte eine weiche Birne, weil er mir Städterin aus London seinen halben Besitz vermacht hat.“
Auf diese unsinnige Behauptung ging Noah gar nicht weiter ein, vielleicht auch, weil es in diesem Moment eine Ablenkung gab.
Plötzlich kamen zwei schwarze Schwäne anmutig aus den Schatten ins Mondlicht geschwommen.
„Oh, wie in Schwanensee“, flüsterte Kate hingerissen. „Schade, dass Olivia schon schläft.“
„Ja, sie wäre begeistert“, stimmte Noah leise zu. „Es wäre ein wunderschöner Abschluss für ihren Geburtstag. Übrigens meinte sie vorhin zu mir, es wäre der schönste ihres Lebens gewesen.“
„Es freut mich für sie, dass sie mit ihrer Mutter sprechen konnte.“
„Ja, es wäre eine schlimme Enttäuschung gewesen, wenn wir auf den Hügel geklettert wären und da oben auch keinen Handyempfang gehabt hätten. Aber es hat ja geklappt. Und Liane war erstaunlich freundlich“, fügte er kritisch hinzu.
Kate sah ihm an, wie unglücklich er war, und ihr wurde schwer ums Herz.
„Mach dir keine Sorgen wegen Olivia“, sprach sie ihm Mut zu. „Sie ist widerstandsfähig und erstaunlich ausgeglichen, wenn man bedenkt, welche Umwälzungen sie in letzter Zeit überstanden hat.“
„Umwälzungen“, wiederholte Noah und lachte bitter. „Das ist höflich ausgedrückt.“
Nun wusste sie nicht weiter. Über seine Ehe mit ihm zu reden kam ihr wie eine Verletzung seiner Privatsphäre vor. Aber vielleicht würde es ihm guttun, wenn er sich einmal den ganzen Kummer von der Seele redete?
Sollte sie ihn vielleicht einfach geradeheraus fragen, ob er darüber reden wollte?
Die Schwäne glitten in den Schatten überhängender Zweige und waren nicht mehr zu sehen.
„Es tut mir leid, dass es dir so unglücklich ergangen ist“, begann Kate vorsichtig.
„Das kommt ständig vor.“ Abrupt stand er auf und sah zum Lager. „Steve scheint mit dem Abwaschen fertig zu sein und schon im Schlafsack zu liegen.“
Auch Kate stand auf. Mit dem freundschaftlichen Gespräch war es offenbar vorbei.
Auch mit der gemeinsamen Zeit würde es bald vorbei sein.
Schade! Sie hatte das einfache Nomadenleben lieben gelernt. Es machte ihr nichts aus, im Morgengrauen aufzustehen, und ihr gefiel nicht nur der Duft von Brot, das über dem Feuer röstete, sondern sogar das morgendliche Lärmen von Elstern und Hähern.
An den immer gleichen Rhythmus der Tage hatte sie sich gewöhnt: an das Abbrechen des Lagers, das Weiterfahren, die Mittagspause, das Aufbauen eines neuen Camps.
Ja, der Viehtrieb gefiel ihr. Aber er würde früher oder später enden, die Herde würde verkauft werden, und sie, Kate, nach England zurückfliegen.
Besser, sie dachte nicht daran!
„Gute Nacht, Noah“, sagte sie leise.
Überraschend neigte er sich zu ihr und küsste sie auf die Wange. „Danke für alles, Kate.“
Ihre Haut begann, erregend zu prickeln, und sie hielt kurz den Atem an. Bestimmt trat Noah sofort einen Schritt zurück.
Er tat es nicht.
Eine süße, heiße Sehnsucht erfüllte sie, wie sie es noch nie erlebt hatte. Ein Verlangen, stärker, als sie jemals für möglich gehalten hätte.
Ohne zu überlegen, ob es richtig und vernünftig war, legte sie Noah die Arme um den Nacken und zog seinen Kopf zu sich herunter.
Noah schloss sie in die Arme und presste ungeduldig die Lippen auf ihre. Ganz so, als hätte er lange auf diesen Augenblick gewartet. Ihn herbeigesehnt.
Er presste sie so eng an sich, dass sie spürte, wie wild sein Herz pochte.
Am liebsten wäre sie für immer in seinen Armen geblieben, hier im Mondlicht, wo die Zeit nicht mehr zählte.
Bevor jedoch die Zärtlichkeit brennende, verzehrende, gefährliche Leidenschaft entfesseln konnte, trat Noah zurück und ließ sie
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