Julia Extra Band 0303
ins dreißigste Stockwerk hinauf, betrat durch die Glastür das Vorzimmer.
„Sie kommen zu spät“, tadelte Carmen Alvarez sie unfreundlich, als Ellie an ihrem Schreibtisch vorbeikam. „Die Zahlen, die Sie mir gestern gegeben haben, sind komplett falsch. Was ist nur los mit Ihnen?“
Vor ihren Augen drehte sich alles. Fast hätte sie sich auf der Fahrt von ihrem kleinen Apartment zur Firma in der U-Bahn übergeben müssen. Schon seit Monaten wurde ihr immer wieder jäh übel. Das hätte ihr Zeichen genug sein sollen. Doch sie hatte sich eingeredet, ihr Zyklus sei einfach nur unregelmäßig. Diogo Serrador hatte ihr sein Wort gegeben. Von mir kannst du nicht schwanger werden.
„Fühlen Sie sich nicht wohl?“ Abschätzig kniff Mrs. Alvarez die Augen zusammen. „Wohl die ganze Nacht gefeiert, was?“
„Gefeiert?“ Ellie lachte schwach auf. Heute Morgen, als sie endlich den Reißverschluss des engen Rocks zubekommen hatte, war sie zu dem Drugstore an der Ecke gegangen und hatte sich von dem pickelgesichtigen Teenager hinter dem Tresen einen Schwangerschaftstest geben lassen. „Nein, keine Party.“
„Dann geht es um einen Mann“, schloss die ältere Frau. „Moment …“ Das Telefon schrillte. Die Chefsekretärin griff nach dem Telefonhörer. „Diogo Serradors Büro“, flötete sie beflissen in die Muschel.
Eine der Junior-Sekretärinnen tippte Ellie von hinten auf die Schulter.
„Hast du Mr. Serradors Foto in der heutigen Zeitung gesehen?“, wollte Jessica mit ihrem schleppenden Südstaatenakzent lauernd wissen. „Er war gestern mit Lady Allegra Woodville auf dem Galaabend. Sie ist unglaublich elegant, nicht wahr? Aber sie kommt ja auch aus der High Society. Genau wie er. Der Stammbaum macht’s, sagt meine Mama immer. Entweder man hat Klasse …“, Jessica musterte Ellie mit eiskaltem Blick, „… oder man hat sie eben nicht.“
Ellie war enttäuscht und ärgerte sich gleichzeitig über sich selbst. Sie hätte sich Jessica niemals anvertrauen dürfen. Die Jüngere sah in ihrem Job nur eine Möglichkeit, sich die Zeit zu vertreiben, bis sie einen reichen Mann gefunden hatte. Diogo war ihr auserkorenes Ziel. Ellie hatte das Mädchen mit ihrer eigenen Erfahrung warnen wollen, doch nun kursierten die bösartigsten Gerüchte in der Firma über sie. Sie sei ein unmoralisches Luder, eine geldgierige Schlampe. Ellie – eine Schlampe! Sie, die noch nie mit einem Mann geschlafen hatte, bis Diogo sie in Rio in seine Arme gezogen hatte.
Ihre Großmutter hatte recht gehabt. Weder war sie hart noch modern genug, um in der großen Stadt zu überleben. Sie hatte einfach aufgegeben. Und hatte nachgegeben.
Vor drei Wochen hatte sie Ja zu Timothy gesagt.
Kurz vor Weihnachten hatte er urplötzlich seinen hoch dotierten Job als Diogo Serradors Firmenanwalt aufgegeben, um eine eigene Kanzlei in der kleinen Stadt, aus der sie beide stammten, zu eröffnen. Er hatte Ellie gedrängt, mit ihm zu gehen, doch sie hatte sich geweigert.
Nach dem heutigen Tag würde sie nichts mehr mit New York zu tun haben – oder mit Diogo. Sie würde in einer soliden Ehe leben, mit einem Mann, der sie liebte. Einem Mann, dem sie bedingungslos vertrauen konnte.
Wenn Timothy sie noch wollte. Nachdem sie mit dem Kind eines anderen schwanger war.
Mrs. Alvarez hatte das Telefongespräch beendet und drehte sich wieder ihr zu um. „Hören Sie, was Sie in Ihrem Privatleben machen, geht mich nichts an, aber Ihre Arbeit hier kann ich so nicht akzeptieren. Sie …“
Durch die Sprechanlage ertönte Diogos tiefe Stimme. „Mrs. Alvarez, kommen Sie bitte zu mir.“
„Sofort, Sir.“ Die Chefsekretärin ließ kritisch ihre Augen über Ellies blasses Gesicht wandern. „Sie werden die Analyse von Changhun Steel noch einmal überarbeiten und das Ganze in Dollarwerten angeben.“ Als Ellie sich nicht rührte, fuhr sie sie scharf an: „Nun machen Sie schon, Mädchen.“
„Nein.“
Mrs. Alvarez, schon halb beim Chefbüro, drehte sich ungläubig wieder um. „Wie bitte?“
Innerlich zitternd, aber entschlossen hielt Ellie dem vernichtenden Blick der anderen stand. „Ich muss zu ihm.“
Die Chefsekretärin war fassungslos über so viel Dreistigkeit. „Ganz bestimmt nicht!“ Als Ellie auf die Tür zusteuerte, stellte sie sich ihr in den Weg. „Das ist der allerletzte Tropfen“, zischelte sie wütend. „Was immer Sie sich mit Ihrer Arbeit verdient zu haben glauben, mir reicht es mit Ihrer Inkompetenz! Mit Ihrer Unverschämtheit. Räumen
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