Julia Extra Band 0303
weiteten sich die Augen ihrer Großmutter. „Das wirst du mit der Zeit“, entschied sie resolut. „Schließlich bekommst du sein Kind.“
Sie standen am Anfang des Kirchenschiffs. Die Orgel stimmte den Hochzeitsmarsch an. Alle Köpfe drehten sich zur Braut. Ellie rührte sich nicht.
„Geh“, raunte ihre Großmutter ihr mit einem Lächeln zu und nahm ihren Arm, um sie zum Altar zu führen.
Es war so falsch. Aber sie hatte Timothy schon genug verletzt. Sie konnte ihn nicht noch mehr erniedrigen und einfach davonlaufen. Oder?
Überall Blumen und Kerzen. Alle Augen lagen auf ihr. Die Damen der Dorfgesellschaft, die sie seit ihrer Kindheit kannte. Mrs. Abernathy, die ihr immer wieder gesagt hatte, aus ihr würde niemals etwas werden. Candy Gleeson, früher Cheerleader an der Schule, die sie wegen ihrer schäbigen Kleidung gehänselt und sie Bohnenstange genannt hatte, weil sie so dünn gewesen war. Sie alle musterten sie jetzt voller Neid und flüsterten hinter der vorgehaltenen Hand.
Lilibeth legte Ellies Hand in Timothys, der sie am Altar in Empfang nahm und sie fest in seiner hielt, sie mit einem Ausdruck in seiner Miene ansah, der fast irre wirkte.
„Liebe Gemeinde, wir haben uns heute hier versammelt …“
Die milden Worte hatten nichts gemein mit dem Sturm, der in Ellie tobte. Sie als Timothys Frau, die ihn lieben und ehren sollte? Die das Bett mit ihm teilen und seine Kinder aufziehen sollte? Es musste sein. Irgendwie würde sie lernen, seine lauwarmen Küsse zu genießen. Sie würde sich seine Vergebung für ihren Fehler verdienen, und wenn es ihr gesamtes Leben dauern würde.
Doch als sie die Augen schloss, stürzten die Bilder der Nacht mit Diogo auf sie ein. Verzweifelt verdrängte sie sie. Ihre Finger klammerten sich fester um den Brautstrauß. Grüne und pinke Blütenblätter segelten sacht auf die altehrwürdigen Steinfliesen.
„Willst du, Timothy Alistair Wright, die hier anwesende Ellie Jensen zu deiner dir angetrauten Ehefrau nehmen …“
Selbst bei ihrer Hochzeit konnte sie nicht aufhören, an Diogo zu denken!
Der Mistkerl! Dieser verlogene Mistkerl!
Timothy sah sie an. Sonnenlicht fiel durch die hohen Kirchenfenster auf sein blasses, schmales Gesicht. „Ja, ich will.“
„Und du, Eleanor Ann Jensen, willst du Timothy Wright …“
Das Kirchenportal wurde mit Schwung geöffnet, die Flügel schlugen mit einem dumpfen Poltern gegen die Wände.
„Halt!“
Durch die Gemeinde ging ein kollektives Raunen. Ellie wirbelte herum.
Diogo!
Er trug noch den Anzug, den er in der Firma angehabt hatte, als sie gegangen war, doch mit einem zivilisierten Geschäftsmann hatte er keine Ähnlichkeit mehr. Seine harten Schritte auf dem Steinboden hallten durch das Kirchenschiff, sein Blick, unbarmherzig und unablässig, war auf Ellie gerichtet.
„Wie können Sie es wagen, Serrador!“ Timothys Stimme überschlug sich vor Wut, er musste sich räuspern. „Sie haben kein Recht …“
„Sie.“ Diogo sah Timothy starr an, dann lachte er hart auf. „Ich hätte es mir denken können.“
Ellie schaute in die schwarzen Augen des brasilianischen Milliardärs und erschauerte. Schwarz wie Kohlenflöz, dachte sie. Flöz, der sich durch die Erde zog.
„Verschwinden Sie, Serrador. Sie haben hier nichts zu suchen“, knurrte Timothy.
„Ich denke doch.“ Diogo drehte sich zu Ellie um. „Nicht wahr, Ellie?“
Er wusste es!
Sie konnte jetzt unmöglich erklären, wer der Vater des Kindes war. Vielleicht würde Timothy ihr irgendwann vergeben, aber nicht, wenn er wusste, dass es Diogos Kind war. Vor Weihnachten waren die beiden Männer im Streit auseinandergegangen, sie wusste immer noch nicht, wieso und warum.
Sie wusste nur, dass Diogo Serrador hart und gefühllos war wie der Diamant an ihrem Finger.
Jetzt lehnte er sich vor und sah ihr durchdringend in die Augen. „Nicht wahr, Ellie?“, wiederholte er schärfer.
Als sie den Kopf abwenden wollte, riss er ihr den Schleier vom Gesicht. Sie schrie leise auf. Die Fassade des reichen Playboys und internationalen Stahlmagnaten existierte nicht mehr, als er sie bei den Armen packte. Zum Vorschein gekommen war ein wilder Barbar, der seine Frau für sich beanspruchte. Und ein sinnlicher Stromstoß durchfuhr ihren Körper wie ein Blitz.
„Sag mir die Wahrheit.“
Unfähig, auch nur einen Ton herauszubekommen, schüttelte sie stumm den Kopf. Seine Berührung machte sie ganz schwindelig. Er beugte den Kopf, und sie wusste, dass er sie küssen würde.
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