Julia Extra Band 0303
der Stadt geküsst hatte, da hatte sie sich zum ersten Mal im Leben wirklich lebendig gefühlt.
Leidenschaft war gefährlich. Sie musste lernen, Entscheidungen mit dem Kopf zu treffen, nicht mit dem Herzen. Doch Diogos feurige Umarmungen hatte ihr Innerstes entflammt. Er hatte ihr Leben verändert – nur kümmerte es ihn nicht.
Sie hatte ihm die Wahrheit sagen wollen, doch wie hätte sie das schaffen können? Selbst mit der Hälfte der Wahrheit hatte er sofort das Schlimmste von ihr angenommen – dass sie ein kalkulierendes, geldgieriges Luder war, das ein unschuldiges Baby dazu benutzte, einen Mann zu einer Ehe zu erpressen.
Er kannte sie überhaupt nicht. Hatte sie nie gekannt.
„Ellie.“ Timothys Stimme erklang hinter der Tür, dennoch konnte Ellie die zärtliche Geduld hören, die darin mitschwang. „Dawarten dreihundert Gäste auf uns. Worüber musst du denn jetzt noch mit mir reden?“
Sie zitterte am ganzen Leib und versuchte sich zu sammeln. Sie musste Diogo vergessen, musste vergessen, dass er überhaupt existierte, und sich vor Augen halten, dass sie ihn nie wieder sehen würde. „Kannst du bitte hereinkommen?“
„Nein! Das bringt doch Unglück!“
„Das ist reiner Aberglaube.“
Sie hörte sein Lachen hinter der Tür. „Es hat so lange gedauert, bis ich dich überzeugt hatte, mich zu heiraten. Ich will jetzt auch nicht das geringste Risiko eingehen.“
Sollte sie etwa durch die Tür rufen, dass sie schwanger war, damit alle es hören konnten? „Bitte, ich muss wirklich dringend mit dir reden.“
Stille. Dann: „Und ich will unbedingt hören, was du mir zu sagen hast. Du hast dein ganzes Leben, um es mir zu sagen. Nur noch ein paar Minuten, und dir gehört auf ewig meine Aufmerksamkeit, an jedem Tag neu.“
Entsetzt wurde ihr klar, dass er glaubte, sie wolle ihm ihre Liebe gestehen. Der kalte Schweiß brach ihr aus. „Timothy, du verstehst nicht …“
„Warte nur noch ein paar Minuten.“
Ihr blieb keine andere Wahl. „Ich bin schwanger.“
Eine Weile blieb es still, dann schwang die Tür auf.
Timothys Gesicht war gespenstisch bleich, sein Atem ging schwer. Er schlug die Tür hinter sich zu und packte grob ihr Handgelenk. „Wie ist das möglich, wenn wir nie miteinander geschlafen haben?“
Seine Augen funkelten hart, er blickte sie wild an. Automatisch wich sie vor diesem unbekannten Timothy zurück. „Es tut mir leid“, flüsterte sie. „Es war ein Fehler. Ich wollte dich nicht verletzen.“
„Wer ist es?“ Sein Griff wurde fester.
Verzweifelt schüttelte sie den Kopf. „Das ist unwichtig. Ich werde ihn nie wieder sehen.“
„Wer ist es?“, verlangte er wütend zu wissen.
„Du tust mir weh!“
Abrupt ließ er sie los. „Deshalb hast du also in die Heirat mit mir eingewilligt. Weil du schwanger bist und dein Galan dich hat sitzen lassen“, meinte er abfällig.
„Es war der schlimmste Fehler meines Lebens. Ich wollte dich nicht betrügen. Ich habe erst heute Morgen herausgefunden, dass ich schwanger bin.“
„Natürlich“, sagte er sarkastisch.
Elend sah sie zu, wie er sich mit den Fingern durchs Haar fuhr. „Ich habe Verständnis, wenn du die Hochzeit absagen willst. Wahrscheinlich ist es besser …“
Seine Stimme klang schneidend. „Was redest du da? Ich werde gar nichts absagen.“
„Aber …“
„Du machst jetzt keinen Rückzieher, ob schwanger oder nicht“, sagte er eisig. „Du wirst mich heiraten, und zwar heute.“
Sie schluckte. „Und das Baby …?“
Er verzog die Lippen. „Darum kümmere ich mich.“ Damit riss er die Tür auf und marschierte hinaus.
Ellie blieb verwirrt allein zurück. Sie hatte geglaubt, er würde die Hochzeit absagen. Und er wollte sich wirklich um das Baby kümmern?
Das hieß, sie heiratete. Heute. In wenigen Minuten würde sie Timothys Frau werden. Für den Rest ihres Lebens. Timothy hatte ein Vermögen für die Hochzeitarrangements ausgegeben, hatte das gesamte Dorf eingeladen. Damit jeder, der sie je schlecht behandelt hatte, sehen konnte, wie der König und die Königin gekrönt wurden …
Lilibeth kam zu Ellie, küsste sie auf die Wange, bevor sie ihr den Schleier übers Gesicht legte. „Ich hab’s zufällig mitgehört. Schwanger! O Ellie, ich bin ja so glücklich für dich, Liebes!“
Glücklich, dass sie einen Mann heiratete, den sie nicht liebte? Glücklich, dass der Mann, den sie liebte, ein selbstsüchtiger, arroganter Mistkerl war?
„Aber Gran … ich liebe Timothy nicht.“
Nur unmerklich
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