Julia Extra Band 0303
gegen ihren Willen auszuliefern. „Trotzdem bleibt es dabei, dass ich keinen Funken Mitleid für dich empfinde!“, tat sie vorsichtshalber noch einmal kund.
Sein raubtierhaftes Lächeln verursachte ihr eine wohlige Gänsehaut. Ein absurdes Empfinden, das sie sogleich weit von sich wies.
„Über der launigen Plauderei hätten wir fast die Formalitäten vergessen, Samantha. Also, ich bin Cesare, was dir natürlich inzwischen bekannt ist, sonst wärst du ja nicht hier.“ Er deutete eine höflich korrekte Verbeugung an. „Als Nächstes drängt sich mir natürlich die Frage auf, warum bist du hier?“
Genau das hatte sich auch Sam, besonders in den letzten zehn Minuten, dringlicher gefragt denn je. „Ich … ich wusste nicht, wer du bist, als wir …“
„Zusammen im Bett waren, weil du so überwältigt warst vor Mitleid, was du allerdings bewundernswert zu kaschieren verstandest …“
„Oh, da habe ich dich keineswegs bemitleidet“, unterbrach sie ihn nüchtern. „Erst später, als ich dein Bild in der Zeitung sah.“
Nicht für einen Moment hatte sie geglaubt, dass es sich bei dem Mann, der in dem Artikel als größtes Finanzgenie der Gegenwart beschrieben wurde, um den gleichen Mann handelte, mit dem sie eine heiße Nacht verbracht hatte. Dann las sie den kurzen Abschnitt über seinen Unfall, der ihn das Augenlicht gekostet hatte, und die nachfolgende Auflösung seiner Verlobung mit einer berühmten Schauspielerin.
„Lass mich raten. Ganz plötzlich hast du noch viel tiefer gehende Gefühle für mich entwickelt?“ Seine Stimme troff förmlich vor Sarkasmus.
„Nein, ich …“
„Und bereust es bitterlich, mich einfach so verlassen zu haben, während ich schlief“, fuhr Cesare erbarmungslos fort.
Scham und Schuldgefühl trieben heiße Röte in Sams Wangen. „Schon, weil …“
„Kein Grund für weitere Erklärungen, ich verstehe vollkommen!“
„Das bezweifle ich“, erwiderte Sam trocken.
„Glaub mir, ich weiß aus Erfahrung, wie schnell sich das Verhalten der Leute ändert, sobald sie wissen, dass ich nicht unvermögend bin.“
Was hatte das denn mit ihrem Problem zu tun?
Sam brauchte einige Sekunden, um zu verstehen, worauf Cesare überhaupt anspielte, doch dann stieg heiße Empörung in ihr auf.
„Nur zu deiner Information, dein Geld interessiert mich absolut nicht!“
„Natürlich nicht!“, konterte er höhnisch und spürte gleichzeitig einen feinen, ziehenden Schmerz in der Brust.
Für One-Night-Stands hatte Cesare, anders als viele seiner Geschlechtsgenossen, nie viel übrig gehabt, und es noch dazu als einen Mangel an guten Manieren empfunden, sich morgens klammheimlich davonzustehlen. Und er sah keinen Grund, die gleichen Maßstäbe auch Frauen gegenüber anzulegen.
Dass sie einfach so gegangen war, hatte ihn anfangs fast verrückt gemacht, doch sobald sein nüchterner Verstand wieder einsetzte, musste Cesare sich eingestehen, dass sie ihm nur etwas gegeben und dafür absolut nichts im Gegenzug verlangt hatte. Und das ließ Samantha, zumindest in seiner Welt, ziemlich einzigartig erscheinen.
Doch wie es jetzt aussah, hatte er sich auch darin getäuscht.
„Wie auch immer“, unterbrach Sam leicht gereizt seine Grübeleien. „In jener Nacht hatte ich weder eine Ahnung, wer du bist, noch, ob du Geld hast oder nicht. Und wenn ich es mir aussuchen könnte, wäre es mir lieber, immer noch nichts darüber zu wissen. Doch leider ist mir im Zuge einer Recherche dieser Artikel mit deinem Foto in die Finger geraten …“
„Recherche?“
Angesichts der Skepsis in seiner Stimme reckte Sam kampflustig ihr Kinn vor. „Nun, ich arbeite für den Chronicle “, informierte sie ihn so kühl wie möglich, obwohl sie innerlich hoffte, er würde sich genauso beeindruckt zeigen wie die meisten Leute, wenn sie erwähnte, dass sie bei dieser renommierten Zeitung beschäftigt war.
Doch Cesare hätte kaum weniger beeindruckt sein können. „Du bist Journalistin?“
„Ja.“ Sam ärgerte sich über den verteidigenden Ton in ihrer Stimme. „Und ich bin sehr gut in meinem Job!“, fügte sie steif hinzu.
„Das bezweifele ich nicht im Geringsten.“ Sein Tonfall ließ keinen Zweifel daran, dass er damit kein Kompliment aussprach.
„Hast du etwa Probleme mit Journalisten?“
Cesare lachte hart auf. „Ich würde sagen, es ist auf jeden Fall ein erstrebenswerter Beruf für Menschen, die keine Skrupel haben!“
Er dachte an den Reporter, der die Eltern des verletzten Kindes interviewt
Weitere Kostenlose Bücher