Julia Extra Band 0305
hinter fantasievollen Masken verborgen waren.
Die Frauen wirkten in ihren teuren Designer-Kreationen wie exotische Erscheinungen, die Männer zumeist umwerfend elegant und maskulin in ihrer schwarzen Abendbekleidung. Einige der Anwesenden erkannte Giselle trotz Maskierung, bei anderen hatte sie nicht die geringste Ahnung, wer sich hinter dem Stückchen Satin oder Samt verstecken mochte.
War das wirklich ihr Bruder Maxim in diesem schwarzen bodenlangen Cape über dem Smoking, mit der geheimnisvollen Satinmaske, die nur den beherrschten Mund und das kantige Kinn freiließ? So, wie er sie fixierte, runzelte er sicher wie gewöhnlich die Stirn über seine kleine Schwester.
Diesmal vielleicht wegen ihres aufsehenerregenden Beförderungsmittels. Trotzig hob Giselle den Kopf und erwiderte den eindringlichen Blick. Wenn sie beim Ball schon nicht mit ihrem extravaganten Tanzstil glänzen konnte, dann musste sie sich halt auf andere Weise einen provokativen Auftritt verschaffen!
Als sie das beifallspendende Schmunzeln des Mannes an Maxims Seite gewahrte, lächelte Giselle freimütig zurück. Das war auf jeden Fall Eduard de Marigny, der gegenwärtige Marquis von Merrisand. Trotz Maske: Ihn würde sie immer und überall erkennen. Es war ein Jammer, dass er nicht hier, sondern in der Provinz Valmont lebte, wenn er nicht im Dienst der Marine von Carramer auf den Weltmeeren unterwegs war. Denn Eduard war einer ihrer loyalsten Verbündeten.
Neben ihm stand seine Frau Carissa. Giselle konnte ihre leuchtend kornblumenblauen Augen hinter der kapriziösen Federmaske funkeln sehen. Carissa und Eduard waren sich anlässlich eines irrtümlichen und betrügerischen Verkaufs eines der königlichen Besitztümer begegnet, hatten sich Hals über Kopf ineinander verliebt und führten inzwischen eine überaus glückliche Ehe. Giselle war Patin ihrer anbetungswürdigen Drillinge, Jamet, Michelle und Henry, und zählte Carissa zu ihren engsten Freundinnen.
Die beiden Frauen tauschten ein inniges Lächeln aus, bevor Giselle sich weiter umschaute. Da dies ein Maskenball war, verzichtete man auf die gewohnte öffentliche Begrüßungs- und Vorstellungszeremonie, bei der alle Gäste an den Mitgliedern der königlichen Familie vorbeidefilierten und mit Namen und Rang angekündigt wurden. So verlief der Ball viel weniger steif und zeremoniell, was Giselle ohnehin weit mehr entsprach.
Nachdem die vier muskulösen Träger die Sänfte mit ihrer kostbaren Last behutsam am Kopfende des Ballsaales abgesetzt hatten, traten sie ehrerbietig einen Schritt zurück, verneigten sich und schwärmten nach verschiedenen Seiten aus, um für den Rest des Abends die Prinzessin aus diskreter Entfernung im Auge zu behalten.
Auf ihr Signal hin wurden Champagner und Horsd’œuvres herumgereicht, und das Orchester spielte zum ersten Tanz des Abends auf. Als Giselle gedankenverloren zum Takt der Musik mit dem Fuß zu wippen begann, durchzuckte sie ein heftiger Schmerz und erinnerte sie daran, dass sie heute nicht wie die anderen übers Parkett schweben würde. Schlagartig fühlte sie sich wie eine Ausgestoßene.
Ihre Verwandten tummelten sich bereits auf dem Tanzboden, andere Gäste waren ihnen gefolgt oder standen in kleinen Grüppchen herum und plauderten angeregt miteinander. Aber alles geschah in respektvollem Abstand zu ihr.
Nur mit Mühe unterdrückte Giselle den Drang, ihnen zuzurufen, sie könnten ruhig näher kommen, da sie unter Garantie nicht bissig war.
„Kann ich Ihnen vielleicht eine Erfrischung bringen, Eure königliche Hoheit?“
In der Erwartung, einen der Diener vor sich zu haben, schaute sie auf und hielt unwillkürlich den Atem an. Der Mann an ihrer Seite war sehr groß und gut gebaut. Seine langen muskulösen Beine brachten Giselle auf den unsinnigen Gedanken, ihr Besitzer könne mit ihnen den Rest der Gesellschaft ohne Mühe in Grund und Boden tanzen. Wie die anderen männlichen Gäste trug er einen schwarzen Abendanzug, der an ihm allerdings ungleich attraktiver wirkte.
Und dann seine Augen …
Hinter der schwarzen Maske glitzerten sie in einem klaren dunklen Blau wie das Wasser eines bodenlosen Sees und erschienen ihr ebenso unergründlich. Er begegnete ihrem Blick ohne die geringste Scheu und mit einer Offenheit, die sie sonst nur von Mitgliedern ihrer Familie gewohnt war.
Er wirkte irgendwie nicht wie ein Schlossangestellter, und Giselle bemühte sich, seinem Gesicht, oder was sie davon sehen konnte, einen Namen zuzuordnen. Doch es
Weitere Kostenlose Bücher