Julia Extra Band 0305
die sie durch den Stoff seines Smokingärmels unter ihren Fingerspitzen fühlte.
„Na, dann gibt es ja nichts, worüber wir uns Sorgen machen müssen“, erwiderte er zufrieden. „Wo wollen wir anfangen?“
„Bei der Gruppe um meinen Bruder“, entschied Giselle spontan.
Bryce zögerte kaum merklich. Würde Maxim ihn erkennen und seine Identität lüften? Und wenn es so wäre? Dann konnte er auch nichts dagegen tun.
Der Prinz unterhielt sich angeregt mit einigen Gästen, die alle, ebenso wie er selbst, Masken trugen. Doch auch ohne die Kostümierung hätte Bryce die wenigsten davon erkannt. Dafür war er einfach noch nicht lange genug im Château Merrisand . Deshalb versuchte er auch gar nicht erst, ihre Identität zu entschlüsseln, sondern konzentrierte sich lieber auf Giselles melodiöse Stimme, während sie ihren Verpflichtungen als Gastgeberin nachkam und sich der Runde gegenüber ausge sprochen locker und entspannt zeigte.
Alle schienen um sie besorgt zu sein und löcherten sie mit Fragen nach ihrem Befinden, die sie leichtherzig und humorvoll beantwortete oder abwimmelte. Als man sich überrascht davon zeigte, dass sie schon wieder herumlaufen könne, wies sie mit einem Lächeln auf ihren Begleiter.
„Clark war so nett, sich mir als Stütze anzubieten.“
Bryce konnte die Verwirrung auf Maxims Gesicht mehr ahnen als sehen, als der offenbar zu entschlüsseln versuchte, um wen es sich bei dem unbekannten Kavalier seiner kleinen Schwester handeln mochte. „Clark …?“, wiederholte er gedehnt.
„Meine geheime Identität für eine Nacht, Eure Hoheit“, erklärte Bryce geschmeidig und fühlte zu seinem Entsetzen, wie er unter der Maske errötete. Die Prinzessin zu unterhalten und ein wenig zu flirten war eine Sache, aber den Spaß weiter auszureizen war nie seine Absicht gewesen.
„Er eilte zu meiner Rettung, als alle anderen mich vernachlässigt und ignoriert haben“, fuhr die Prinzessin schelmisch fort.
„An dem Tag, an dem du von niemandem beachtet wirst, geht unter Garantie die Welt unter“, spottete ihr Bruder gutmütig und wandte sich dann Bryce zu. „Normalerweise kann sie sich vor Verehrern gar nicht retten.“
„Aber nur, wenn ich in der Lage bin zu tanzen“, brummte Giselle missmutig. „Heute bringe ich ja nicht einmal einen Schritt ohne Hilfe zustande.“
Maxims Blick wanderte zu Bryces Arm, den seine Schwester wie einen Rettungsanker umklammert hielt. „Momentan machst du nicht gerade einen leidenden Eindruck auf mich“, stellte er ironisch fest.
Und damit hatte er sogar recht. Ungeachtet des Pochens in ihrem verletzten Fuß, fühlte sie sich seltsam beschwingt und leicht wie eine Feder. Anstatt an ihre Behinderung zu denken, zerbrach sie sich den Kopf über die wahre Identität ihres attraktiven Begleiters. Maxim ließ sich auch nicht anmerken, ob er ihn kannte und ihm nur nicht den Spaß verderben wollte. Oder ob er Clark , ebenso wie sie, heute zum ersten Mal begegnet war.
Also musste sie das Geheimnis allein lüften. Denn hinter der schwarzen Maske konnte sich viel verbergen. Vielleicht sogar ihr Traumprinz!
Wenigstens für eine Nacht wollte Giselle sich ihren Träumereien und Fantasien hingeben. Bald würde sie sich so weit erholt haben, dass sie ihre alltäglichen und zumeist schrecklich nüchternen königlichen Pflichten wieder aufnehmen musste. Dazu die Arbeit für die Stiftung von Château Merrisand, die zugunsten Not leidender Kinder eingerichtet worden war, und ihre Teilzeitstelle als Lehrerin in der Schlossschule.
Insgesamt ein interessantes, befriedigendes Aufgabenpaket, das allerdings wenig Raum für romantische Träume ließ.
Der Gedanke an die Schule erinnerte sie an etwas. „Maxim, ich möchte gerne ein Meeting mit dir und Eduard vereinbaren, solange er noch in Taures ist.“
„Können wir das nicht ein anderes Mal besprechen?“, fragte ihr Bruder anscheinend gelassen, doch Bryce entging der scharfe Unterton in seiner Stimme nicht.
Giselle schob ihr Kinn energisch vor. „Da du jeder Diskussion mit mir ausweichst, lässt du mir ja gar keine Wahl. Soweit ich weiß, will Eduard in zwei Tagen nach Valmont zurückkehren.“
Bryce folgte Maxims Blick in Richtung eines hochgewachsenen, dunkelhaarigen Mannes, der ein paar Meter von ihnen entfernt Hof hielt. Eduard, Marquis de Merrisand. Er war so bekannt, dass keine Maske es vermochte, sein Inkognito zu wahren.
Prinz Maxim ließ einen unwilligen Laut hören. „Nun gut … ich habe bereits mit Eduard
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