Julia Extra Band 0305
davon, wie weit geschwisterliche Rivalität gehen kann.“ Ohne es zu sehen, wusste sie, dass er eine Augenbraue hob.
„Selbst unter königlichen Geschwistern?“
„Wir sind schließlich auch nur Menschen. Oh …!“
Er fühlte ihr Zusammenzucken, griff geistesgegenwärtig nach der Lehne eines Stuhls neben ihm und schwang ihn herum, sodass Giselle sich setzen konnte. „Vielleicht sollten Sie den restlichen Ball lieber in dieser Position verbringen, Prinzessin.“
Seine Hand auf ihrer Schulter fühlte sich so warm und beschützend an, dass Giselle sich wünschte, den ganzen Abend in Gesellschaft dieses Fremden verbringen zu können. Aber das war natürlich nicht möglich. Ihr königlicher Stand und ihre Pflichten erlaubten derartige Eskapaden einfach nicht.
Als ihr mysteriöser Begleiter beiseitetrat, um anderen Gästen Platz zu machen, die wie auf ein geheimes Stichwort plötzlich von allen Seiten auf sie zuströmten, musste Giselle sich beherrschen, nicht nach seiner Hand zu greifen, um ihn zurückzuhalten. Sie wollte doch noch unbedingt herausfinden, wer sich hinter der Maske verbarg und warum sie sich von dem Fremden so unwiderstehlich angezogen fühlte.
Doch stattdessen widmete sie sich ihren neuen Gesprächspartnern, plauderte, scherzte und lächelte, bis ihr Kiefer schmerzte. Sie aß von dem hervorragenden Buffet, das der Chefkoch des Châteaus für den heutigen Abend bereitet hatte, lauschte der Musik, zu der sie nicht tanzen durfte, und hoffte nur, dass niemand bemerkte, wie oft sie auf die Uhr schaute.
2. KAPITEL
Nachdem er die Prinzessin verlassen hatte, zog sich der Abend für Bryce unerträglich in die Länge. Und genau zu wissen, woran das lag, stimmte ihn nicht besonders glücklich.
Keiner der anderen Gäste, mit denen er hier und da plauderte, fesselte seine Aufmerksamkeit auch nur annähernd so sehr, wie Prinzessin Giselle es vermochte. Und es kostete ihn eine gehörige Portion Selbstdisziplin, nicht ständig in ihre Richtung zu schauen. Ihr silberhelles Lachen wirkte auf ihn so anziehend wie ein Magnet und brachte seinen Puls zum Rasen. Es weckte Sehnsüchte, die er nicht empfinden wollte. Keiner Frau gegenüber … und schon gar nicht, wenn die auch noch unerreichbar für ihn war.
Kurz vor ihrem Umzug hatte Amanda ihm einen Artikel in einer Illustrierten gezeigt, in der Prinzessin Giselle mit einem von Carramers spektakulärsten Exportartikeln, dem smarten und außerordentlich attraktiven Filmstar Robert Gaudet, in Verbindung gebracht wurde. Momentan war er in Hollywood, um Verhandlungen über einen neuen Film zu führen, den seine Produktionsfirma in Carramer drehen wollte.
In dem Blatt stand auch, dass allein ihre unglückselige Verletzung die Prinzessin daran gehindert habe, an seiner Seite zu sein. Und dass ihre Heirat mit dem beliebten Schauspieler, dem sogar adelige Vorfahren nachgesagt wurden, so gut wie beschlossen sei und man nur noch nach einem geeigneten Termin suche.
Normalerweise schenkte Bryce derartigen Klatschgeschichten nicht das geringste Interesse, aber im Bestreben, seiner Tochter den Ortswechsel so schmackhaft wie möglich zu machen, hatte er ihr geduldig zugehört und insgeheim gedacht, Amanda hätte sich ein schlechteres Idol aussuchen können als eine Prinzessin, die immerhin bodenständig genug war, neben ihren Verpflichtungen, Château Merrisand betreffend, auch noch als Lehrerin in der Schlossschule zu unterrichten.
Nachdem er sie nun kennengelernt hatte, versuchte er sich einzureden, sogar glücklich über Giselles feste Beziehung zu sein. Das ließ den Verzicht irgendwie leichter erscheinen. Denn selbst wenn sie keine Prinzessin wäre, hätte er ihr einfach nichts zu bieten. Weder materiell noch emotional.
Die Krankheit seiner Frau hatte Bryce in jeder Hinsicht ausgelaugt und ihn als leere Hülle zurückgelassen. Momentan brauchte er seine gesamte physische und psychische Stärke, um für sich und seine Tochter eine neue, lebenswerte Zukunft aufzubauen. Da blieb kein Raum für unsinnige Träumereien.
Aber diese Einsicht konnte nicht verhindern, dass sein verlangender Blick immer wieder magisch von der Prinzessin angezogen wurde …
Dennoch bildete Bryce sich ein, seine Gefühle perfekt unter Kontrolle zu haben, bis ihm bewusst wurde, dass seine Tanzpartnerin mitten auf dem Parkett stehen geblieben war. Widerstrebend wandte er sich ihr zu.
„Irgendetwas nicht in Ordnung?“
„Vielleicht sollten wir lieber gleich auf der anderen Seite des Saales
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