Julia Extra Band 0305
verschreckt werden oder zu Tode kommen könnten.
Quasi als Sahnehäubchen fügte er noch hinzu, dass seine Mitarbeiter angewiesen seien, gegen jede Zuwiderhandlung vorzugehen und die dafür Verantwortlichen des Geländes zu verweisen. Und das könne er auch Robert Gaudet in dieser Form ausrichten.
Erst jetzt wandte sich Bryce zufrieden ab und ging an seine Arbeit.
Mittags nahm er zusammen mit seiner Tochter einen schnellen Lunch ein, und es war bereits spät am Nachmittag, als er endgültig Feierabend machte und sich darauf freute, einen ruhigen Abend mit Amanda zu verbringen, sobald er sich geduscht und umgezogen hätte.
Doch als Bryce fertig war und nach unten ging, war seine Tochter immer noch nicht zu Hause. Stirnrunzelnd schaute er auf die Uhr. Sie und Mary Jo arbeiteten momentan jeden Nachmittag an einem freiwilligen Schulprojekt, doch um diese Zeit hätten sie eigentlich längst zurück sein müssen.
Er rief in der Schulbibliothek an, aber da waren die Mädchen nicht. Die Bibliothekarin erinnerte sich allerdings daran, die beiden vor dem Zentrum für gefährdete Jugendliche gesehen zu haben. In Merrisand Village, außerhalb der Schlossanlagen.
Bryce legte verwirrt auf. Was hatten Amanda und ihre Freundin in einer solchen Einrichtung verloren? War seine Tochter etwa in Schwierigkeiten, von denen er nichts wusste? Sie hatte ihm hoch und heilig versprochen, nie mehr wegzulaufen, und er hatte ihr vertraut. Doch momentan herrschte zwischen ihnen eine seltsame Distanz, die er einfach nicht zu überwinden vermochte.
Würde Amanda sich ihm überhaupt anvertrauen, wenn sie ein Problem hätte?
Bryce erreichte das Jugendzentrum in Rekordzeit. Auf seine Nachfrage wurde er in ein Büro geführt, in dem er Amanda mit einem Stapel von Prospekten unterm Arm antraf. Vor ihr auf dem Boden kniete Mary Jo und sortierte weiteres Material.
„Was machst du denn hier, Dad?“
Bryce schloss die Tür hinter sich. „Dasselbe könnte ich dich fragen. Mir hast du erzählt, du würdest heute an einem Schulprojekt arbeiten.“
Seine Tochter wies mit der freien Hand auf die sie umgebenden Stapel. „Das ist unser Projekt. Das Thema ist der Merrisand-Trust, und Miss Giselle hat uns angeregt, weitere Möglichkeiten aufzutun, um anderen Kindern und Jugendlichen zu helfen. Diese Einrichtung wird aus dem Trust finanziert. Deshalb informieren wir uns hier über die bereits laufenden Projekte.“
Unten auf dem Boden nickte Mary Jo eifrig zur Bestätigung. „Die Leiterin, Mrs. Martin, ist sehr nett und unterstützt uns bei unserer Recherche. In diesem Zentrum werden unterprivilegierte Teenager in praktischen Berufen ausgebildet, damit sie später selbst Geld verdienen können und nicht ihr Leben lang von sozialen Einrichtungen abhängig bleiben.“
Davon hatte die Prinzessin ihm nichts erzählt, aber wann hätte sie das auch tun sollen? Während er sie voller Leidenschaft geküsst und sich gewünscht hatte, noch ganz andere Dinge mit ihr anzustellen? Was war er nur für ein Vater! Seiner eigenen Libido mehr Aufmerksamkeit zu schenken als dem Wohlergehen seiner Tochter! Zum Glück hatte er gerade noch rechtzeitig den Absprung geschafft!
„Ich bin so froh über dieses Projekt“, vertraute ihm Amanda nun überraschend an und errötete leicht unter seinem forschenden Blick. „Schon wegen Mum … du verstehst?“
Und ob er verstand! Kein Wunder, dass sich seine Tochter mit Leib und Seele diesem Projekt widmete.
„Amanda hat mir erzählt, dass ihre Mutter in so einer Einrichtung gearbeitet hat“, erklärte Mary Jo fast ehrfürchtig.
Bryce schämte sich bis ins Mark seines unsinnigen Misstrauens. Yvette war tatsächlich Leiterin des öffentlichen Jugendzentrums gewesen, bis ihre Krankheit sie zu sehr beeinträchtigt hatte. Und seine Tochter hatte offensichtlich ihr soziales Engagement geerbt.
„Und wo ist diese Mrs. Martin jetzt?“, fragte er brummig, um von dem schmerzhaften Thema abzulenken.
„Sie trinkt nur kurz eine Tasse Kaffee.“
„Soll ich dich nach Hause fahren, wenn ihr hier fertig seid?“, fragte er seine Tochter.
Amanda nickte zögernd. „Eigentlich wollte Mary Jos Dad uns abholen, aber so können wir sie ja mitnehmen, oder?“
„Kein Problem, wenn sie es vorher mit ihrem Vater abklärt.“
„Dann bist du nicht böse, weil wir hier sind?“
Bryce schüttelte den Kopf. Wenn er Anlass zur Wut hatte, dann auf sich selbst, weil er so sehr mit seinem Leben beschäftigt war, dass er gar nicht mitbekam, was in
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