Julia Extra Band 0309
um sich herum errichtet, dass selbst eine gewöhnliche Erkältung Schwierigkeiten hatte, zu ihr durchzudringen.
„Die Welt ist klein“, sagte Cameron schließlich, und hinter seinem charmanten Lächeln gelang es ihm fast zu verbergen, dass er sich immer noch nicht an sie erinnerte. Noch immer hielt er ihre Hand. „Um gleich abgedroschen weiterzumachen, wie wäre es, wenn …?“
Die Tür hinter ihm flog mit einem Knall auf, ehe er weiterreden konnte, und eine Frau stürmte herein. Rosie wich von Cameron zurück, als seien sie zwei Teenager, die man in flagranti erwischt hatte.
Die aufgelöste Frau erklärte: „Tut mir leid, dass ich einfach so hier hereinplatze. Ich bin Miss Granger, Lehrerin der vierten Klasse der Kenmore South. Sagen Sie, kann ich bitte die Kinder hereinlassen? Noch eine Minute da draußen und ich garantiere für nichts.“
Irgendwie gelang es der Lehrerin, trotzdem zu lächeln. Wahrscheinlich weil sie ihre Bitte ausschließlich an Cameron gerichtet hatte, der in Jackett und Krawatte zuständiger aussah als Rosie in ihrem Vintage-Outfit. Vielleicht war es auch der undefinierbare X-Faktor, durch den jede Frau, die ihm je begegnete, zwangsläufig in seine Umlaufbahn geriet. Rosie schien dazu bestimmt, ungefähr alle fünfzehn Jahre in gefährliche Nähe dieses Himmelskörpers, dieses himmlischen Körpers, zu geraten.
Nachdem sie sekundenlang auf seine Schultern gestarrt hatte, blickte sie auf und sah, dass er sie immer noch betrachtete. Ungerührt. Mit einer Mischung aus Neugier und Autorität.
Unterbrich den Blickkontakt , sagte ihre innere Stimme. Geh auf Abstand, mach dich ganz klein, tu was immer nötig ist, damit er dich in Ruhe lässt.
„Bitte?!“, flehte die Lehrerin Cameron an.
Rosie hatte den Eindruck, dass die Frau inzwischen etwas ganz anderes von ihm wollte.
Ehe Rosie Gelegenheit hatte, Miss Granger zu sagen, dass sie an der falschen Adresse war, rief Adele: „Schicken Sie sie rein! Wie könnten wir jemanden abweisen, der es kaum erwarten kann, etwas über die Mysterien des Universums zu erfahren?“
„Wie könnten wir …“, pflichtete Cameron ihr bei.
Rosie ignorierte ihn geflissentlich, während Miss Granger die schwere Seitentür wieder aufzog und die kalte Spätwinterluft sowie eine Schar Kinder in grün-karierten Schuluniformen, beigefarbenen Kniestrümpfen und breitkrempigen Schlapphüten einließ. Sie überschwemmten den Hörsaal wie Wasser, das aus einem Flaschenhals sprudelt.
„Füße auf Stühlen werden gewaltsam entfernt!“, rief Adele, die von der lärmenden Menge davongetragen wurde.
Und viel zu schnell waren Cameron und Rosie wieder allein. Allein in dem gnadenlosen Neonlicht, das keinen einzigen Makel an ihm fand.
„Sieht so aus, als müsstest du jetzt wirklich weiterarbeiten“, sagte Cameron, und es klang fast ein bisschen enttäuscht.
Rosies Herz hüpfte, hüpfte immer weiter.
Sie räusperte sich, und ihr Herz fand zu seinem regelmäßigen Rhythmus zurück.
„Für die Schuldigen gibt es keine Ruhe.“ Sie wandte sich um und genehmigte sich einen letzten Blick, ehe sie diese seltsame Begegnung beendete.
Gucken war erlaubt. In den Himmel zu gucken war ihr Job. Und da es aus der Entfernung sicherer war, wich sie langsam zurück und ließ so die nächsten fünfzehn Jahre beginnen, bis sich ihre Wege wieder kreuzen würden.
„Es war schön, dich wiederzusehen, Rosalind.“ In Camerons blauen Augen lag ein Funkeln.
Ein flotter Gruß, schon lief sie die Stufen hinunter und machte erst am Fuße der Treppe Halt, von wo sie nicht mehr sehen konnte, ob er ihr hinterhergeschaut hatte.
Die Tür hinter Cameron fiel scheppernd ins Schloss und entließ ihn in die kalte, strahlend helle Morgenluft.
Gut dreißig Sekunden blieb er wie angewurzelt stehen, ließ sich von der Wintersonne das Gesicht wärmen und genoss das köstliche vage Gefühl, dass die Begegnung mit dieser faszinierenden Frau in ihm ausgelöst hatte.
Rosalind Harper. Ehemalige Schülerin der St. Grellans. Wie war es möglich, dass er dieselbe Schule besucht hatte, ohne dass ihm diese zarte blasse Haut, diese verführerisch aufgeworfenen Lippen und diese zerzausten brünetten Locken aufgefallen waren?
Er atmete tief durch die Nase ein und blickte auf die Uhr. Was er dort sah, holte ihn in die Wirklichkeit zurück. Schlimmer noch.
In die Wirklichkeit seines Vaters.
Quinn Kelly war ein skrupelloser egoistischer Hai, der Cameron vor langer Zeit überredet hatte, ein schreckliches
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