Julia Extra Band 0309
blauen Augen und obendrein ein Grübchen.
Ach du Schande, so tief war sie schon lange nicht mehr im Sumpf ihrer Vergangenheit versunken. Es wurde Zeit, dass sie den Typen loswurde, ehe unerwünschte Erinnerungen hochkamen.
In der Hoffnung, dass er ihr folgen würde, machte sie einen Bogen um ihn und lockte ihn in Richtung Ausgang. „Ich dachte, Sie interessieren sich nicht für die Vorstellung?“
„Sie hätten das Popcorn nicht erwähnen sollen.“
Er kam näher. Das diffuse Licht, das durch das Fenster in der Tür hinter ihr fiel verlieh seiner Kleidung Farbe. Sie warf durch das Türfenster einen Blick hinaus auf die leuchtende Uhr an der Wand neben der Kasse. Die Venus war höchstens noch fünfzehn Minuten zu sehen. Wenn sie die heutigen Messungen noch abschließen wollte, musste sie sich beeilen. „Dann gehen Sie ins Kino. Da gibt es mehr Action.“
„Mehr Action als Supernovas, Rote Zwerge und Meteorschauer?“
„Typisch Mann“, sagte sie. „Zum Glück gibt es für die Feinheiten des Universums uns Frauen. Sie sollten ab und zu einfach mal still sitzen und den Mond betrachten. Manche Probleme lösen sich dann ganz von selbst.“
„Vielen Dank für den Rat.“ Im verschwommenen Sonnenlicht, das durch das kleine Seitenfenster drang, sah sie, wie er die Achseln zuckte. „Ich habe Ihnen etwas verschwiegen. Ich besitze selbst ein Teleskop.“
Verdammt! Es gab nicht viel, womit man sie aus dem Konzept bringen konnte, doch wer selbst nur ein flüchtiges Interesse für ihre große Leidenschaft besaß, zog sie unwiderstehlich in ihren Bann.
„Was für eins?“, fragte sie.
„Es ist silbern. Kein echtes Silber. Vielleicht nicht einmal versilbert. Aber es sieht silbern aus.“
„Die silbernen sind die besten. Der Extraglanz begünstigt die Lichtbrechung.“
Sie genoss die halbe Sekunde, die er brauchte, um zu merken, dass sie ihn auf den Arm nahm. Sie genoss es so sehr, dass sie sich eingestehen musste, dass sie noch immer eine Schwäche für ihn hatte.
„Um ehrlich zu sein“, sagte er, „das Einzige, woran ich mich von damals erinnere, sind die Wurmlöcher. Und ich bin Manns genug zuzugeben, dass sie mich einige schlaflose Nächte gekostet haben.“
Seine Stimme war tief. Rau. Vieldeutig. Einen Moment lang hielt sie die Luft an, ehe sie sie mit einem tiefen Seufzer entweichen ließ.
Sie spielte mit einer türkisen Perle an ihrer Strickjacke. Sie hatte sie von einer Frau annähen lassen, der sie auf dem Weg nach Rosarito in Mexiko begegnet war. Rosie hatte dort allein in einer Hütte gewohnt, die aus lauter Sachen gebaut war, die sie am schönsten Strand der Welt gefunden hatte. Die Perle an der Strickjacke erinnerte sie daran, dass sie viel gesehen und viel erlebt hatte und nicht leicht zu beeindrucken war.
Kein Grund also über die Begegnung im Dunkeln mit Cameron Kelly ins Schwärmen zu geraten.
Sie richtete sich auf. „Na gut. Da Sie sich die Vorstellung nicht ansehen wollen, kann ich es Ihnen ja verraten. Pluto ist kein Planet mehr.“
„Wirklich nicht?“, fragte er aufrichtig schockiert. „Der arme Pluto.“
Diesmal war sie es, die lachte. Ein volles, heiteres, äußerst reizendes Lachen.
Zu spät bemerkte sie, dass Cameron nun so nah war, dass sie das Sonnenlicht auf seiner gebräunten Haut, der geraden Nase, dem glatt rasierten Kinn und den tief liegenden Augen sehen konnte. Augen, die sich inzwischen an das Licht gewöhnt hatten und endlich ihrem Blick begegneten.
Erst als sein Blick sich von ihr löste, bekam sie wieder Luft. Leider ließ er sie nicht so leicht davonkommen.
Er betrachtete ihr Haar. Das musste ziemlich durcheinander sein, dachte sie, nachdem sie es seit ihrer Ankunft hier vor Sonnenaufgang mal hochgesteckt, mal offen, mal zum Knoten gedreht und dann zu Zöpfen gebunden getragen hatte. Sie trug ein langes, geblümtes Kleid, dass heute morgen auf dem Korb mit sauberer Wäsche ganz oben gelegen hatte, eine Strickjacke, die sie im Kofferraum gefunden hatte und die bequemen Stiefel, mit denen sie um die ganze Welt gereist war und die sie heil wieder nach Hause getragen hatten, aber alles andere als schick waren.
Sein prüfender Blick dauerte nur kurz. Kaum mehr als den Bruchteil einer Sekunde. Dennoch drängte es sie, ihr Haar zu richten, den BH zurechtzurücken und mit den Fingern eventuelle Spuren von Wimpertusche unter den Augen fortzuwischen.
Sie war zunächst dankbar, als sein Blick zu ihren Augen zurückwanderte. Doch alle Dankbarkeit war vergessen, als
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