Julia Extra Band 0309
keine Ahnung, wieso ich gerade gehofft habe, etwas darin zu finden“, sagte er. „Was hältst du davon, wenn wir uns etwas beim Chinesen bestellen?“
Rosie atmete die Luft aus, die sie seit einer gefühlten halben Stunde angehalten hatte. „Klingt perfekt!“
9. KAPITEL
Eine Stunde später saß Rosie am Küchentresen. Drei der vier weißen Kartons mit Nudeln waren leer. Sie ließ den letzten ungeöffneten Karton stehen, lehnte sich zurück und legte sich die Hand auf den Bauch.
Cameron, der neben ihr saß, lachte. „Ich dachte schon, ich muss mich über die Essensreste werfen, um dich vor dir selbst zu schützen.“
„Keine Sorge. Ich weiß, wann Schluss ist.“
Seine Jacke hatte er längst ausgezogen, so wie Rosie ihren Poncho und ihre Schuhe. Im Hintergrund lief leise eine CD, im Kamin knisterte ein Feuer.
Rosie umschlang mit den nackten Zehen die unterste Sprosse des Barhockers und blinzelte schwer. Es war so warm und gemütlich, dass der Schlafmangel der vergangenen Nächte sich nun zu rächen drohte.
„Du hast da einen kleinen Klecks …“, sagte Cameron sanft.
Sie öffnete die Augen und sah, dass er auf ihren Mund starrte, eine Hand so nah an ihren Lippen, dass sie anfingen zu prickeln. Sie fuhr mit der Zunge in den linken Mundwinkel.
Er lächelte, runzelte die Stirn und wischte einen halben Zentimeter tiefer etwas weg. Was auch immer er fortgewischt hatte, er leckte sich den Finger. Und plötzlich war sie wieder hellwach.
Sie stützte die Ellbogen auf den Tresen und das Kinn in die Handflächen. „Wie kommt es, dass jemand wie du, dem die ganze Welt offen steht, so nah bei seinen Wurzeln bleibt?“
Er kniff die Augen zusammen. „So nah ist es gar nicht.“
Die Schärfe in seiner Stimme überraschte sie. „St. Grellans ist fünf Minuten von hier“, widersprach sie. „Und das Haus deiner Eltern steht gerade mal zwei Vororte weiter.“
„Ist es nicht Grund genug, dass ich einfach im schönsten Teil der Stadt wohnen wollte?“
„Nein. Nicht für dich.“
Er trank einen Schluck von seinem Bier und betrachtete sie über den Rand des Glases. „Vor wie viel Tagen haben wir uns kennengelernt?“
„Vor zwei“, sagte sie.
Er setzte das Glas ab, hielt es aber weiter fest und betrachtete die bernsteinfarbenen Bläschen. „Ich bin in Ascot aufgewachsen. Meg wohnt noch zu Hause, obwohl sie die Hälfte der Woche bei Tabitha in der Stadt übernachtet. Brendan wohnt in Clayfield, in der Nähe der Schule seiner Töchter. Dylans Wohnung liegt mitten in Morningside. Du hast also recht. Wir sind alle nur einen Katzensprung von zu Hause entfernt.“
„Warum bist du nicht ans andere Ende der Stadt gezogen, nachdem du dich mit deinem Dad überworfen hast? Oder gleich ans andere Ende des Landes? Oder der Welt? Ich habe das schon oft getan. Ist ganz leicht.“
Er schob sein Glas beiseite und widmete ihr einmal mehr seine ganze Aufmerksamkeit. „Und stell dir vor, wo du jetzt sein könntest, wenn es schon interplanetarische Reisen gäbe. Dann hätten wir dich bestimmt nie wiedergesehen.“
Zwei Tage. So lange kannten sie sich. Sie glaubte, ihn durchschaut zu haben, doch bis jetzt war ihr gar nicht in den Sinn gekommen, dass er sie vielleicht auch längst durchschaut haben könnte.
Sie schlang die Hände um ihre Schultern und grub die Finger in ihr weißes Baumwoll-T-Shirt. „Aber wir reden nicht über mich.“
Er berührte ihren Ellbogen. „Warum eigentlich nicht?“
Sie schüttelte langsam den Kopf. „Kein Bedarf. Im Gegensatz zu dir, habe ich meine Probleme gelöst. Ich brauche keine Analyse mehr.“
Er betrachtete sie einige lange Sekunden, ehe er mit der Hand unter ihren Ellbogen fuhr und sie sanft Richtung Fenster leitete, sodass sie auf die Skyline von Brisbane sah.
„Dieser Blick auf die Stadt hat mich inspiriert. Von hier aus kann ich fast jedes Gebäude sehen, das ich gebaut habe, und ich habe mehr Zeit, als ich zugeben mag, an meinem Pool gesessen und darüber nachgedacht, was ich als Nächstes bauen will. Dieser Blick ermahnt mich, beim Bau der Zukunft, nicht die Ästhetik meiner Vorgänger zu zerstören, und ich hoffe, dass meine Nachfolger dasselbe tun.“
Als Cameron geendet hatte, fühlte Rosie sich wie gelähmt. Ihr Blick war gefangen von den Gipfeln und Tälern der geschäftigen Großstadt, die in der Dunkelheit von Ferne leuchtete. Und während seine Worte in ihr nachklangen, erkannte sie zum ersten Mal die tiefe Schönheit, die er darin sah. Die Schönheit in seinem
Weitere Kostenlose Bücher