Julia Extra Band 0316
manchmal sogar das Gefühl, sich in einer Gießerei mit lodernden Hochöfen zu befinden, so heiß war ihr geworden, wenn er das Wort an sie richtete.
Allein beim Gedanken an seine tiefe Stimme wurde ihr wieder ganz anders zumute. Mit einem Schnellhefter fächelte sie sich Kühlung zu.
Vielleicht konnte sie das Problem das Casting betreffend doch per E-Mail regeln? Aber dann würde er antworten, und immer, wenn sie bisher seine kurzen, scharfsinnigen Bemerkungen zu ihren Anregungen gelesen hatte, war er vor ihrem inneren Augen erschienen, wie er neben ihr auf dem Balkon stand.
So dicht, dass sie sein dezentes Rasierwasser wahrnahm.
Dass sie die goldenen Sprenkel in seinen dunkelbraunen Augen sah.
Dass sie ihn hätte berühren können …
Dann hatte er gelächelt, und ihr Herz schien einen Schlag lang auszusetzen.
Allein bei der Erinnerung daran begann ihr Herz wie rasend zu pochen.
Ja, egal, ob sie Cameron anrief oder ihm eine E-Mail schickte, sie würde auf jeden Fall weiche Knie bekommen.
Also konnte sie mit ihren Tagträumen aufhören, das Telefon nehmen und die anstehende Aufgabe hinter sich bringen. Vorher musste sie allerdings noch ihre Notizen checken.
Als sie den Laptop einschaltete, klingelte ihr Handy. Die Nummer auf dem Display war ihr völlig unbekannt.
„Ja, bitte?“, meldete sie sich abwartend.
„Hallo, Alice!“
Da war es wieder, das Gefühl, in Flammen zu stehen!
„Hallo, Cameron. Ich habe Jennies Notizen bekommen“, erwiderte sie und war entsetzt, wie unnatürlich hoch ihre Stimme klang.
„Nutzen sie dir denn etwas?“, erkundigte er sich.
„Bisher habe ich sie nur flüchtig durchgesehen“, gestand sie. „Jennie scheint jedenfalls schon viele Vorarbeiten erledigt zu haben, sie hat zum Beispiel die Band engagiert und einen Partyservice beauftragt. Das wollte ich als Nächstes gleich checken.“
„Gut!“ Er klang erleichtert. „Schön, dass ihr Verschwinden keine völlige Katastrophe bedeutet. Kann ich irgendwie helfen, Alice? Du brauchst es nur zu sagen!“
Sie atmete tief durch. „Ja, da gibt es etwas.“
Kurz erklärte sie das Problem mit dem fehlenden Raum für das Casting der Models.
„Das machen wir hier im Konferenzraum“, bestimmte Cameron sofort. „Außerdem brauchst du doch bestimmt ein Büro für dich. Auch das kannst du hier haben.“
„Nicht nötig“, erklärte sie schnell. „Ich habe doch mein …“
Er ließ sie nicht weiter zu Wort kommen. „Nein, es ist besser, wenn du hier vor Ort bist, dann kann ich mögliche Fragen sofort klären. Und du brauchst nicht meinen Posteingang mit Mails zu blockieren“, fügte er hinzu.
Nur sein humorvoller Ton hinderte sie daran, einfach aufzulegen. Sie wollte Cameron bis zum Ball nicht wiedersehen, und nun hatte sie ein Büro in seiner Firma zugeteilt bekommen!
Wieso machte dieser Mann es einem unmöglich, ihm etwas abzuschlagen? Mit ihm zu reden war, als müsse man sich gegen eine Dampfwalze durchsetzen. Anders gesagt: aussichtslos.
Aber ich lasse mich nicht unterbuttern, schwor Alice sich.
Und falls er es wagen sollte, ihr gegenüber den allmächtigen Boss herauszukehren, der bedingungslosen Gehorsam erwartete … ja, dann würde sie sich daran erinnern, wie lächerlich er damals am Weihnachtsabend gewirkt hatte, als sie beide doch noch von Jennie zu den albernen Partyspielen geholt worden waren.
Vor allem sein Versuch, eine unters Kinn geklemmte Orange ohne Hilfe der Hände an seine extrem stark geschminkte Tante weiterzugeben, war ihr unauslöschlich im Gedächtnis geblieben.
Zwar hatte er verzweifelt versucht, nicht von ihrem Make-up vollgeschmiert zu werden, aber es war ihm nicht gelungen.
Es war peinlich und zugleich äußerst komisch gewesen.
Ja, daran zu denken wird mir helfen, mich von Cameron nicht beherrschen zu lassen, beruhigte Alice sich.
Am folgenden Morgen zog Alice mit ihrem Laptop und Jennies Unterlagen in das ihr zugeteilte Büro bei Orion Solutions. Es lag auf demselben Stockwerk wie Camerons, aber zum Glück am entgegengesetzten Ende.
Da ihr eigentlicher Job in den kommenden drei Wochen von einem Expertenteam der Firma erledigt wurde, hätte sie sich eigentlich darauf konzentrieren können, den Ball zu organisieren und sich ganz und gar ihrer geliebten Vintagemode zu widmen.
Es gab allerdings einiges, was ihr nicht aus dem Kopf ging. Zum Beispiel hatte Cameron ihr schon am Vorabend mitteilen lassen, dass er mit ihr heute zu Mittag essen wollte, um Einzelheiten wegen der
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