Julia Extra Band 0316
sie misstrauisch, weil Coreen so ruhig blieb, obwohl sie sonst gern alles dramatisierte. „Du hast doch schon einen Plan, oder?“
„O ja! Und der Plan involviert dich.“
„Was meinst du damit? Etwa, dass ich … O nein, das kommt überhaupt nicht infrage!“, wehrte Alice entsetzt ab.
„Du hast die Figur eines Models. Tatsächlich könntest du Ambers Double sein.“
„Trotzdem! Anscheinend verwechselst du mich mit einer Frau, die mehr als fünf Schritte in hochhackigen Schuhen gehen kann, ohne zu stolpern. Und denk mal an die Treppe!“
Alice ging zum Vorhang und schaute durch einen Spalt. Sie hatten auf einen Laufsteg verzichtet, weil ja später im Atrium getanzt werden sollte und er zu viel Platz beansprucht hätte. Also würden die Models von der Bühne fünf Stufen nach unten gehen und dort zwischen zwei sich gegenüberliegenden Stuhlreihen ihre Kleider präsentieren.
„Ach was, du schaffst das“, meinte Coreen und stellte sich neben sie.
Alice stemmte die Hände in die Hüften. Sie würde nicht nachgeben! Immerhin ging es hier um die Zukunft auch ihrer Boutique, und die würde sie nicht mit ihrem totalen Mangel an Anmut aufs Spiel setzen.
Sie konnte einfach nicht nach draußen gehen und sich allen präsentieren. Vor allem nicht dem einen, an den sie ständig dachte. Vor Befangenheit würde sie bestimmt stolpern und ihm, im wahrsten Sinn des Wortes, zu Füßen fallen!
„Nein, Coreen“, sagte sie energisch. „Das hier ist kein Film oder Roman, in dem die unscheinbare, unbedeutende Heldin die Starrolle übernimmt, um die Produktion zu retten! Das hier ist Realität. Und das bedeutet, ich kann es nicht tun.“
Coreen wirkte für einen Moment nachdenklich. „Jetzt hast du mich auf eine prima Idee gebracht“, bedankte sie sich bei Alice und eilte in die Umkleideräume.
Im Atrium wurden die Lichter gedämpft, nur die Bühne lag noch im hellen Schein. Sanfte Musik ertönte, die ein bisschen nach Fünfzigerjahren und ein bisschen nach Italien klang.
Dann ging ein Raunen durch den Saal, als Audrey Hepburn auf die Bühne kam, in weitem Rock und weißer Bluse, flache Ballerinas an den Füßen und ein kleines Tuch um den schlanken Hals geknotet. Genau wie im Film „Ein Herz und eine Krone.“
Natürlich war es nicht die echte Audrey, wie jeder wusste, sondern ein professionelles Double, aber der Überraschungseffekt war gelungen.
Cameron hatte Alices Idee, einige solcher Doppelgängerinnen von Hollywoodstars zu engagieren, sehr originell gefunden. Dem Publikum gefiel es anscheinend auch.
Als Zweite erschien eine Frau in einem weißen, mit großen roten Rosen bedruckten Kleid, die ihm irgendwie bekannt vorkam. Das war doch Coreen, oder? Wieso führte sie Kleider vor? Ihr Job war doch, die Versteigerung zu leiten?
Als sozusagen der erste Akt beendet war, rätselte Cameron noch immer über Coreens Teilnahme an der Modenschau.
In dem Moment wurde ein Scheinwerfer auf das Stehpult neben der Bühne gerichtet, und eine Frau trat aus den Kulissen. Sie räusperte sich, und da sie zu nah am Mikrofon stand, gab es eine Rückkoppelung.
„Entschuldigung“, bat die Frau leise.
Cameron bekam eine Gänsehaut. Das war doch Alice! Und sie war … umwerfend. Dass sie schön sein könnte, hatte er ja schon immer gewusst, aber nun übertraf sie sogar seine kühnsten Erwartungen.
Das grüne Kleid betonte ihre schlanke Figur mit der schmalen Taille und ließ das Kupferrot ihrer Haare förmlich lodern. Ihre Augen waren betont, die Lippen leuchteten rot und verführerisch.
Als sie sich zu den Kulissen umwandte und somit dem Publikum den Rücken kehrte, stockte Cameron der Atem. Die Rückseite des Kleids war noch spektakulärer als die Vorderseite. Sie bestand quasi nur aus zwei breiten Streifen Satin, die sich zwischen Alices Schulterblättern kreuzten und erst unterhalb der Taille wieder zusammengeführt wurden.
Jemand stieß einen anerkennenden Pfiff aus, und Cameron hätte ihm am liebsten die Zähne eingeschlagen! Aber er musste sich beherrschen.
Alice drehte sich zum Mikrofon zurück, das nun tadellos funktionierte.
Was um alles in der Welt macht sie da?, fragte Cameron sich verwundert. Warum steht sie am Mikrofon?
7. KAPITEL
Was um alles in der Welt mache ich da?, fragte Alice sich entsetzt. Alle Blicke waren auf sie gerichtet, alle Ohren gespitzt … und sie wusste nicht, was sie sagen sollte.
Warum hatte sie nicht eingewilligt, Kleider vorzuführen? Dann hätte sie nur da unten ein bisschen
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