Julia Extra Band 0316
und Stöcke wie Fred Astaire, einer hatte sich sogar Gamaschen besorgt und sah damit, nach einstimmiger Meinung, aus wie ein Gangsterboss aus Chicago.
Alle Gäste, die von der Lobby ins Atrium traten, blieben erst einmal stehen und holten tief Luft, bevor sie in neuerliche Lobeshymnen ausbrachen.
Winzige Scheinwerfer funkelten im Glasdach wie Sterne, ansonsten war das Licht warm und gedämpft. Elegante Arrangements aus cremeweißen Blumen standen an strategisch günstigen Punkten. Die eine Schmalseite des rechteckigen Raums nahm eine Bühne ein, flankiert von Stuhlreihen, an der anderen hatte sich die vierzig Mann starke Band postiert – sie würde die passende Tanzmusik zum glanzvollen Motto des Abends lie-
fern.
Tanzen würde man allerdings erst nach der Modenschau, und bis die anfing, vergnügte man sich mit Cocktails und
Klatsch.
Im Mittelpunkt des Atriums plätscherte der Springbrunnen. Um ihn herum waren vier große Palmen in Töpfen platziert, und unter einer von diesen stand Cameron und begrüßte seine Gäste.
Er war der perfekte Gastgeber, freundlich und gelassen, und dass ihm nicht so zumute war, ließ er sich nicht anmerken. Gefühle durfte man niemals zeigen, sonst wurde man begutachtet, beurteilt … und verurteilt.
„Hallo, Cameron“, hörte er eine Stimme, die er nie vergessen würde.
„Daniel Fitzroy!“, sagte Cameron.
Dass er sich freue, den Mann zu sehen, der seine Schulzeit zum Albtraum gemacht hatte, fügte er nicht hinzu. Es wäre eine zu große Lüge gewesen.
„Danke für die Einladung“, erwiderte Fitzroy und schüttelte ihm herzlich die Hand. „Meine Frau und ich sind ganz begeistert.“ Er wies auf die kleine Brünette an seiner Seite, die sichtlich schwanger war.
Ja, das war es, was Cameron seit Jahren gewollt hatte: dass Fitzroy vor ihm katzbuckelte und so tat, als hätte es die Feindseligkeiten in der Vergangenheit nie gegeben. Dass er verzweifelt versuchte, ihn, Cameron Hunter, zu beeindrucken.
Dann würden die Erinnerungen an die vielen Prügel, die er bezogen hatte, gelöscht – und er wäre endlich frei.
In dem Moment entdeckte er Jessica. Er hatte sie nicht eingeladen, aber sie war trotzdem erschienen. Wie typisch für sie! Bei jedem gesellschaftlichen Großereignis musste sie dabei sein, egal, ob erwünscht oder nicht.
Sie trug ein langes rosa Kleid mit großer Schleife, ein Modell, das er in „Blondinen bevorzugt“ an Marilyn Monroe gesehen hatte, während sie von der unvergänglichen Freundschaft zwischen Frauen und Diamanten sang.
Wie passend! Auch Jessica liebte Edelsteine über alles. Zuletzt hatte er sie in ihrem Apartment gesehen, schmollend, weil sie nur einen „langweiligen“ weißen statt des ersehnten rosafarbenen Brillanten bekommen hatte.
Trotzdem kam sie jetzt – mit ihrem Schmuck um die Wette strahlend – auf ihn zu und küsste ihn auf die Wange, bevor sie sich Fitzroy und dessen Frau zuwandte.
Cameron machte sie alle miteinander bekannt und musste insgeheim anerkennen, dass Fitzroy die schöne Jessica nicht anstarrte, wie die meisten Männer es taten, sondern nur Augen für seine kleine, ernsthafte und wenig spektakuläre Frau hatte.
„Könnte ich dich kurz allein sprechen?“, fragte Fitzroy dann leise.
Überrascht nickte Cameron und ließ sich ein Stück beiseiteziehen, wo sie außer Hörweite der anderen standen und außerdem von der Palme verdeckt waren.
„Also, ich …“ Befangen sah Fitzroy auf den Boden. „Ich wollte mich bei dir entschuldigen, Hunter. Das hätte ich schon längst tun sollen, aber ich … war wohl zu feige.“
Den Eindruck hatte ich auch schon immer, stimmte Cameron zu, aber nur im Stillen.
Plötzlich straffte Fitzroy sich und sah ihm gerade in die Augen, was er noch nie getan hatte. Nicht einmal damals, als er die Oberhand zu haben glaubte.
„Ja, ich möchte mich in aller Form dafür entschuldigen, wie mies ich dich damals in der Schule behandelt habe“, begann er. „Damals hatte ich Schwierigkeiten zu Hause und habe sie kompensiert, indem ich Schwächere tyrannisierte.“ Er sah wirklich schuldbewusst und reumütig aus. „Du warst nie der Schwächling, für den ich dich gern gehalten hätte. Du hast dich nicht einschüchtern lassen, egal, was ich versuchte. Das hat mich natürlich noch gemeiner werden lassen.“
Fitzroy seufzte leise und schüttelte über sich den Kopf.
„Es war falsch von mir, das ist mir mittlerweile klar, Cameron. Aber damals wusste ich es eben nicht besser. Es war das, was
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