Julia Extra Band 0316
überprüfen. Nichts hatte sich geändert. Sie waren immer noch dort, und bei ihrem Anblick drehte sich einem der Magen um.
Was habe ich auch erwartet, dachte sie. Dass meine innere Wandlung sich nach außen überträgt und mich wie durch ein Wunder heilt? Dass ich sie mir wegwünschen könnte?
Wütend auf sich selbst und ihre emotionale Reaktion wandte Katie sich ab und zog sich seufzend ihre biederen, braunen Kleider an. An ihrem Outfit gab es nur ein einziges außergewöhnliches Detail: die rasend aufregende Spitzenunterwäsche! Denn wenn sie auf eine passende Gelegenheit warten wollte, um die edlen Stücke zu tragen, würden sie nur den Motten zum Opfer fallen.
Bevor sie ihr Zimmer verließ, trug sie etwas blassen Lipgloss auf. Doch als sie einen Blick in den Spiegel warf, war ihr erster Impuls, sich den Mund sofort wieder abzuwischen. Wollte sie Aufmerksamkeit erregen? Katie wusste es nicht so genau. Nur eines stand fest. Es gab keinen Grund mehr, das bevorstehende Treffen mit Rigo noch länger aufzuschieben.
Rigo setzte seine Sonnenbrille auf und schwang sich in seinen Sportwagen. Er steckte das Mobiltelefon in die Halterung, während er weitersprach, und startete den Motor. Dann fuhr er los und ließ das Krankenhausgebäude hinter sich. „Ja, selbstverständlich“, brummte er. „Tu alles, was in deiner Macht steht, was immer es auch kosten mag! Und halte mich auf dem Laufenden!“
Nach dem Telefonat musste er sich einen Augenblick sammeln, bevor er zum Tagesgeschäft zurückkehren konnte. Das war nun einmal sein Leben. Er musste blitzschnell vom Wohltätigkeitsbereich, der ihm so viel bedeutete, zu dem Beruf wechseln, der das alles finanzierte. Leider kam er wegen dieser Zweigleisigkeit erneut zu spät zu seinem Termin mit Katie Bannister.
Und wenn schon! Er konnte es nicht ändern und würde den Grund für seine Verspätung bestimmt nicht lang und breit erklären. Rigo wollte nicht, dass die Öffentlichkeit erfuhr, was er in seiner Freizeit tat. Nur sehr wenige Eingeweihte wussten, dass er hinter der Wohltätigkeitsstiftung steckte. Und jeder Mitarbeiter war zu strengstem Stillschweigen verpflichtet.
Heute hatten sie eine lebensnotwendige Operation möglich gemacht, und morgen fuhr er vielleicht einen Teenager mit seinem Luxuswagen herum, um ihn auf andere Gedanken zu bringen. Was immer gerade gewünscht war – Rigo versuchte, es in die Tat umzusetzen. Dabei kam Antonia leider oft zu kurz. Deshalb plagte Rigo manchmal ein schlechtes Gewissen, aber sein Tag hatte einfach zu wenig Stunden.
Auch seine Schwester wusste nichts von diesem anderen Leben, das er führte. Sie war zu jung, um mit den Details konfrontiert zu werden. Und er wollte ihr nicht zumuten, darüber schweigen zu müssen.
Seufzend stützte er sein unrasiertes Kinn auf die Hand und wartete darauf, dass eine Ampel grün wurde. Im Stillen fragte er sich, welchen letzten Gedanken sein Stiefbruder Carlo wohl auf den Weg geschickt hatte. Und wie wütend Katie wohl sein mochte, weil er sich um mehr als eine Stunde verspätete.
Trotz des dichten Verkehrs erreichte er sein Penthouse in Rekordzeit und beeilte sich, mit dem Fahrstuhl nach oben zu fahren. Innerlich war er vollkommen aufgewühlt, und je mehr Stockwerke er hinter sich ließ, umso größer wurde seine Unruhe. Warum hatte Katie Bannister eine so starke Wirkung auf ihn?
Rigo platzte beinahe vor Ungeduld und konnte es nicht erwarten, ihr endlich gegenüberzutreten. Seinen persönlichen Frust und Ärger wollte er nicht mit in dieses Meeting nehmen. Das wäre Katie gegenüber nicht fair. Schließlich konnte sie nicht wissen, was er heute schon alles hinter sich hatte. Und bestimmt ahnte sie nicht, dass Carlo ihm auch noch nach seinem Tod mit Sicherheit noch schaden wollte.
Rigo mochte Katie. Sie war ein ruhiges, unscheinbares Mäuschen – davon ging er jedenfalls aus –, aber irgendwo tief in sich versteckte sie einen eisernen Willen, der ab und zu aufblitzte. Wer fände das nicht reizvoll? Vielleicht, wenn die Dinge anders liegen würden …
Katie konnte kaum glauben, dass Rigo sich schon wieder verspätete. Nicht einmal er konnte so rücksichtslos und unzuverlässig sein. So rüde! Das bewies nur, wie gering er ihre beruflichen Fähigkeiten einschätzte. In jeder Hinsicht. Offenbar hielt er es für überflüssig, sie mit dem nötigen Respekt zu behandeln, den er zweifellos einem älteren, erfahrenen, männlichen Anwalt gezollt hätte.
Sie war für Rigo nur ein Störfaktor,
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