Julia Extra Band 0316
schauspielerischen Leistung ihres Lebens begann Katie zu lesen.
Grimmig hörte Rigo ihr zu und traute dabei seinen Ohren kaum. Carlo hatte ihm alles hinterlassen? Das konnte nur mit einem ausgeprägten Schuldgefühl zusammenhängen. Außerdem waren bisher noch keine Bedingungen genannt worden.
Er stand auf und drehte Katie den Rücken zu. Wann war dieser unsägliche Termin endlich vorüber, damit er das Krankenhaus anrufen konnte? Wenn sie sich nicht vorher bei ihm meldeten …
„Hier ist noch ein privater Brief an dich, Rigo. Zusammen mit einem kleinen Päckchen.“
Katies sanfte Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Er hörte, wie sie aufstand und zu ihm herüberkam.
„Grazie.“
„Dann lass ich dich jetzt besser mal allein?“, bot sie etwas unsicher an.
„Nein.“ Abwehrend hob er eine Hand. „Bitte, bleib!“ Dann ging er ein paar Schritte, bevor er Carlos Brief öffnete.
Natürlich konnte Katie nicht einmal ansatzweise ahnen, wie tief sein Stiefbruder gesunken war, und welche Schande er über die ganze Familie gebracht hatte. Und Rigo wollte auch nicht, dass sie es erfuhr. Warum sollte sie so etwas Abscheuliches als Abschiedsgeschenk mit nach Hause nehmen? Genau wie sein Besuch im Krankenhaus fiel das schlichtweg nicht in ihren Verantwortungsbereich. Sie sollte mit dem Eindruck nach England zurückkehren, sein schillerndes Milliardärsleben wäre perfekt. Nur dann würde sie Rom unbeschwert in Erinnerung behalten können.
Nach all den Jahren, in denen er seine Emotionen verdrängt und gut vergraben hatte, dachte Rigo, er würde gänzlich ohne sie auskommen. Doch die Konfrontation mit dem Tod seines Stiefbruders wühlte ihn mehr auf, als er zugeben mochte. Genauso wie Katie unerwartete Gefühle in ihm weckte. Scheinbar war er doch nicht so unverletzbar …
Vor allem aber erschreckte ihn der Schmerz, den die Erinnerung an die schlimmste Zeit seines Lebens auslöste. Sein Vater hatte eine fremde Frau und ihren Sohn ihm vorgezogen. Jetzt verspürte Rigo dieselbe Isolation und bittere Einsamkeit wie damals.
Er zuckte heftig zusammen, als Katie sich hinter ihm rührte. „Ist alles in Ordnung mit dir?“
Nach einem kurzen Nicken widmete Rigo sich wieder Carlos handgeschriebenem Brief. Krampfhaft versuchte er, sich innerlich gegen die Worte zu wappnen, was ihm nicht recht gelingen wollte.
Rigo,
nichts, was ich sage, kann die Jahre wiederbringen, die ich dir gestohlen habe. Aber ich möchte meinen Frieden mit dir schließen, bevor ich sterbe. Und ich gebe dir nichts, was nicht ohnehin rechtmäßig dir gehört.
Carlo
Rätselhaft bis zum Schluss, dachte Rigo und riss das Päckchen auf. Die Schlüssel zum Familienanwesen in der Toskana rutschten ihm in die Hand, gefolgt vom Siegelring seines Vaters. Gedankenverloren streifte er sich den Ring auf den Finger und spürte eine seltsame Verantwortung, die mit diesem Schmuckstück verbunden war, zusammen mit einer qualvollen Sehnsucht. So lange hatte er sich Kontakt zu seinem Vater gewünscht. Aber dass es auf diese Weise geschehen würde …
Er würde sein Zuhause wiedersehen. Den wunderschönen Palazzo der Familie …
Der Brief hing nur noch lose in Rigos Hand, während die Emotionen ihn buchstäblich fortrissen. Viele Jahre hatte er glücklich auf dem Land gelebt, fernab von jeglichem Glamour, bis sein Vater sich verliebte und Rigos Stiefmutter mitsamt ihrem Sohn Carlo nach Hause brachte.
Rigo empfing Carlo mit offenen Armen, weil er sich darauf freute, endlich alles mit einem Bruder teilen zu können. Doch seine jugendliche Naivität war ihm praktisch zurück ins Gesicht geschleudert worden. Carlo hatte nicht die geringste Lust, seine Zeit mit einem Jungen zu verbringen, der viel jünger war als er und seiner Leidenschaft für schnelles Geld im Weg stand.
„Soll ich dir etwas zu trinken holen?“, fragte Katie besorgt.
Irritiert starrte er sie an. „Nein. Ja, vielleicht. Ein Glas Wasser, bitte.“
Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, verstand sie zumindest zum Teil, was er gerade durchmachte. Und für einen kurzen Moment gab es eine echte, intensive Verbindung zwischen ihnen.
Schmerzhaft wurde ihm bewusst, dass Katie heute für immer aus seinem Leben verschwinden würde. Sie flog nach Hause, unwiderruflich. Dabei wäre es schön gewesen, noch etwas mehr Zeit zu haben, um sich besser kennenzulernen.
Kurz darauf kehrte Katie mit einem Tablett zurück, auf dem Kaffeetassen und Wassergläser standen. Wortlos stürzte Rigo ein Glas hinunter und
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