Julia Extra Band 0316
„Dein Stiefbruder hat dir das Familienanwesen in der Toskana hinterlassen. Aber scheinbar bist du seit deiner Kindheit nicht mehr dort gewesen und hast keine Ahnung, was dich erwartet. Ich könnte mit dir dorthin fahren und Notizen und Verbesserungsvorschläge machen. Mein Steckenpferd ist historisches Design, das könnte dir zugutekommen. Außerdem spreche ich fließend Italienisch.“
„Schon gut, schon gut“, rief er lachend und streckte abwehrend beide Hände aus. „Ich gebe mich geschlagen. Aber dir ist klar, wie hoch meine Kündigungsrate ist?“
„So ziemlich. Eventuell brauchst du auch eine vernünftige Büroleitung.“
„Und diese Position wäre dir vermutlich wie auf den Leib geschneidert, oder?“
„Ich stelle hier nur Notwendigkeiten dar“, argumentierte Katie. „Ein gegenseitiges Interesse.“ Nervös biss sie sich auf die Lippen. „Ich brauche eine Abwechslung – und du eine fähige Unterstützung.“
Ein bewunderndes Lächeln umspielte Rigos Mund. „Meinst du wirklich, du kannst hier hereinplatzen und schon nach wenigen Minuten meine Welt aus den Angeln heben? Du willst mit mir zusammen arbeiten, meine Geschäft durchblicken? Das kann ich mir kaum vorstellen.“
„So einfach ist das natürlich nicht, aber dieses bevorstehende Projekt ist doch neu für uns beide .“
„ Palazzo Farnese ist kein Projekt“, unterbrach Rigo sie. „Es ist ein Ort voll schlechter Erinnerungen, und ich habe vor, das Anwesen zu verkaufen.“
„Aber du hast dort auch schöne Zeiten erlebt.“
„Lass es!“, warnte er sie mit scharfer Stimme. „So gut kennst du mich nicht.“
Katie wappnete sich innerlich. „Aber du wirst es dir doch ansehen, bevor du es verkaufst.“
„Das habe ich doch gesagt, oder etwa nicht?“
„Sehr gut.“ Nachdem sie Rigos Reaktion auf das Testament erlebt hatte, war Katie sicher, dass er sich seiner Vergangenheit stellen musste.
„Wahrscheinlich müssen ohnehin verschiedene Renovierungsarbeiten erledigt werden, bevor man den Palazzo einem Makler übergeben kann.“
„Und du kannst mit deinem neuen Job anfangen, ohne vorher jemandem Bescheid sagen zu müssen?“, erkundigte er sich überrascht.
Ja, ich verbrenne gerade die Brücken hinter mir, dachte sie. „Im Büro habe ich schon angekündigt, dass ich womöglich nicht mehr zurückkomme. Damit nehme ich ihnen nur eine Entscheidung ab.“
„Nicht gerade eine gute Referenz für zukünftige Arbeitgeber, oder?“ Das war natürlich scherzhaft gemeint. Trotzdem schien Rigo mit sich zu kämpfen, ob er Katies Vorschlag zustimmen sollte.
„Ich habe allerdings eine Bedingung“, sagte sie, woraufhin er sie fassungslos ansah.
„Du stellst auch noch eine Bedingung?“
Sein Blick verunsicherte Katie leicht, andererseits war dies ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu ihrer Selbstfindung. Wenn sie sich jetzt nicht behauptete, würde sie vielleicht niemals Zugang zu einem eigenständigen Leben finden. Nur so könnte sie die Schatten der Vergangenheit – die das schreckliche Feuer verursacht hatte – endlich hinter sich lassen.
„Bitte schön“, stöhnte er und machte eine einladende Handbewegung.
„Wenn wir in der Toskana sind, brauche ich eine Unterkunft.“
„Natürlich sorge ich für eine Unterkunft“, entgegnete er verständnislos.
„Ich brauche eine für mich allein“, stellte Katie klar.
„Weit weg von mir, willst du damit sagen?“ Sein Unterton klang beinahe verbittert. „Traust du dir etwa selbst nicht, wenn du in meiner Nähe bist, Katie?“ Er lachte trocken, riss sich aber gleich wieder zusammen. „Einverstanden. Und jetzt schnapp dir deine Sachen! Wir haben keine Zeit zu verlieren!“
Katie hatte nicht damit gerechnet, dass sie ihren Trip in die Toskana zum Teil in einem modernen Privatjet zurücklegen würden, den Rigo höchst persönlich nach Pisa Airport flog. Ohne die üblichen zeitraubenden Formalitäten durchquerten sie die Terminals. Und schon wenig später entspannte Katie sich auf gefühlten zehn Quadratmetern weichem Wildleder im Heck einer Luxuslimousine. Der Fahrer brachte sie zügig an ihr
Ziel.
„Sieh mal, Katie! Das Gebäude dort oben auf dem Hügel – das ist Palazzo Farnese .“
Was Katie dort sah, strafte Rigos enthusiastischen Tonfall Lügen. Der Palazzo war hinreißend, aber hoffnungslos verfallen. Einer der hohen Türme wirkte, als hätte man ihn mit Kanonen beschossen. Dieses Anwesen war meilenweit von dem Märchenschloss entfernt, das sie erwartet
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