Julia Extra Band 0316
hatte.
„Ist es nicht ein wahres Juwel?“, rief er überwältigt, und Katie war froh, dass er keine direkte Antwort von ihr verlangte.
Zugegeben, der Hügel war herrlich grün bewachsen. Und die Lage des Palazzos konnte man wirklich nur als einmalig bezeichnen. Katies Fantasie begann zu arbeiten. Mit ein wenig Vorstellungskraft war es gar nicht mehr so schwer, sich das Gebäude im alten Glanz auszumalen.
Dort, wo der Zahn der Zeit gnädig mit dem alten Stein umgegangen war, leuchteten die Mauern hellrosa in der Nachmittagssonne. In direkter Nachbarschaft zum Haupthaus reihten sich mehrere salzweiße Häuschen auf dem Grundstück aneinander. Ja, es könnte traumhaft aussehen, wenn man beide Augen zudrückte und sich im Geiste etliche Renovierungen ausmalte. Wie Rigo wohl reagierte, wenn sie sein Elternhaus erreichten?
„Ich bin seit Jahren nicht hier gewesen.“ Wie in Trance murmelte er vor sich hin. Katie konnte sich lebhaft vorstellen, was geschehen würde, wenn sich bei Rigo allmählich die Enttäuschung über die Realität einstellte. Irgendwann endete die Nostalgie seiner Kindheit, und dann würde er sein Erbe als erwachsener Geschäftsmann betrachten.
Aber auch wenn Katie selbst nicht involviert war, übte dieser Ort einen ganz besonderen Zauber auf sie aus. Es kribbelte ihr in den Fingern, das Beste aus dieser Anlage herauszuholen und alle ihre Vorzüge zur Geltung zu bringen. Vor ihrem inneren Auge sah sie schon die großzügigen Räume, die mit Sicherheit zum Teil geschwungene hohe Decken hatten.
Hier kann ich endlich mein Hobby zum Beruf machen, dachte sie begeistert. Wenn auch nur vorübergehend! Und falls alle Stricke reißen, habe ich immer noch mein offenes Flugticket in der Tasche …
Gerade passierten sie das riesige, schmiedeeiserne Eingangstor zum Privatgrundstück. Auch die kunstvolle Umzäunung wies viel Patina auf, was sie aber nur attraktiver machte. Natürlich musste man den Zaun der Länge nach überprüfen und absichern. Im Geist begann Katie bereits, eine Liste anzulegen.
Verträumt betrachtete sie die blaugrünen Zypressen, die eine Seite des Grundstücks säumten. Zwischen den immensen Rasenflächen lagen große Blumenanlagen, die ebenfalls besonderer Pflege bedurften. Die ganze Umgebung war großzügig und weitläufig – ein Platz, an dem man die Seele baumeln lassen konnte. Freiheit und Ruhe waren die ersten Stichworte, die Katie einfielen.
„Es ist magisch“, flüsterte sie und war sich gar nicht bewusst, dass sie ihre Gedanken ausgesprochen hatte.
„Wollen wir es hoffen.“
Schlichen sich etwa schon die ersten Zweifel in Rigos Wiedersehensfreude?
Hinter dem Palazzo glitzerte ein See, und mit etwas Fantasie konnte man sich vorstellen, wie die ursprüngliche Gartenanlage einmal ausgesehen haben musste. Um zum Haupteingang zu kommen, überquerten sie einen großen, gepflasterten Vorplatz, der die Jahre weitgehend unbeschadet überstanden hatte. In einem steinernen Torbogen entdeckte Katie denselben symbolischen Löwen, den sie auf dem Ring von Rigos Vater gesehen hatte. Und allmählich wurde ihr die Dimension dessen klar, wie viel Rigo seine Familientradition bedeuten musste.
Früher einmal hatte Katie an Märchen geglaubt, aber das war lange vor dem Feuer gewesen. Jetzt lief sie Gefahr, sich unsterblich in Rigo zu verlieben – und das kam ihrer Vorstellung von Märchen ziemlich nahe. Immerhin lebte er in einer Zauberwelt aus Luxus und italienischer Kultur. Beides kam Katie gleichermaßen exotisch und unheimlich anziehend vor. Sie war immer noch wahnsinnig stolz auf sich selbst, dass sie diese einmalige Chance so mutig ergriffen hatte.
Auf der Eingangstreppe wartete bereits das uniformierte Personal des Palazzos auf die Ankömmlinge. Sie machten einen extrem angespannten Eindruck, und Katie war sofort voller Mitgefühl. Wahrscheinlich befürchteten sie, sofort von Rigo entlassen zu werden.
Bei näherem Hinsehen bemerkte Katie, dass einige Fensterscheiben des Hauptgebäudes zerbrochen waren, und überall blätterte Farbe ab. Dann flog plötzlich die Tür auf, und einige kreischende junge Frauen in schrillen, modischen Kleidern jagten die Stufen hinunter, um Rigo zu begrüßen.
Er stöhnte hörbar und verdrehte die Augen. Offenbar handelte es sich um Bekannte seines Stiefbruders Carlo, die es nun kaum abwarten konnten, sich bei Rigo einzuschmeicheln.
„Halt das mal bitte!“, sagte er zu Katie und drückte ihr seine Aktentasche in die Hand. Dann begrüßte er
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