Julia Extra Band 0316
ganz anders als ihre Nachbarin, die alte Mrs. Simpson, anklopfte, die ihr sanftes Pochen immer mit einem freundlichen Hallo begleitete.
„Wer kann das sein?“, murmelte Phoebe.
„Ich mache auf!“ Christian spurtete zur Tür.
„Nein.“ Phoebe stellte sich ihm in den Weg. „Du öffnest bitte niemals einem Fremden die Tür, Sportsfreund!“
Sie atmete tief durch und öffnete selbst. Als sie die beiden Männer im dunklen Anzug draußen stehen sah, bekam sie Angst.
„Mrs. Christensen?“
Den Namen hatte Phoebe schon eine Ewigkeit nicht mehr gehört. Nach der Trennung von Anders hatte sie ihren Mädchennamen wieder angenommen. Doch in Gegenwart dieser Männer und beim Klang des nordischen Namens fühlte sie sich in der Zeit zurückversetzt, zurück nach Amarnes zum Verhör mit Leo …
„Was glauben Sie, wäre passiert, wenn Sie mich zuerst kennengelernt hätten?“, hatte er mit sanfter Verführerstimme gefragt.
„Nichts“, hatte ihre Antwort gelautet.
„Sind Sie sich da so sicher?“, hörte sie ihn jetzt wieder fragen. Gleichzeitig erinnerte sie sich, wie Leo ihre Stirn und dann ihren Hals berührt hatte … Nach all den Jahren wusste sie noch genau, wie schnell sie sich zu ihm hingezogen gefühlt hatte.
Entschlossen hob Phoebe das Kinn und sah einem der Männer ins unbewegte Gesicht. „Mein Name ist Wells.“
Der Mann hielt ihr eine Hand hin, die Phoebe nach kurzem Zögern ergriff, aber schnell wieder losließ.
„Ich heiße Erik Jensen. Wir sind Gesandte Ihrer Majestät des Fürsten Nicholas von Amarnes. Würden Sie uns bitte begleiten?“
„Mommy …“ Christian war blass vor Schreck.
„Ich gehe nicht weg.“
Im Gesicht des Beamten zuckte es, und Phoebe dachte einen Augenblick, er hätte Mitleid mit ihr.
„Mrs. Christensen –“
„Wieso nennt dich der Mann so, Mom?“
„Es tut mir leid.“ Jensen lächelte den Jungen an. „Ms. Wells.“ Dann wandte er sich wieder an Phoebe. „Es wäre besser, wenn Sie mit uns kämen. In unserem Konsulat wartet ein Gesandter, um mit Ihnen zu reden.“
„Ich glaube nicht, dass wir etwas miteinander zu besprechen hätten. Alles, was gesagt werden musste, ist vor sechs Jahren gesagt worden.“
„Die Umstände haben sich geändert“, antwortete Jensen geduldig, aber so unbeirrbar, dass Phoebe eine Gänsehaut bekam.
„Mommy …“, Christian zog an ihrem Hosenbein, „… wer sind diese Männer? Warum jagen sie uns Angst ein?“
„Das ist nicht ihre Absicht“, antwortete Phoebe, dabei wollte sie die beiden nicht entschuldigen. „Und ich habe keine Angst vor ihnen.“ Sie versuchte zu lächeln, obwohl sie genauso wie ihr Sohn die Bedrohung spürte.
Warum waren die beiden da? Was wollten sie?
Phoebe atmete tief durch. Sie zwang sich, ruhig zu bleiben und nachzudenken. Bestimmt sollte sie nur irgendein Schriftstück unterzeichnen, um auf Anders’ Geld zu verzichten. Denn sein Vater hatte zwar darauf bestanden, dass er auf den Thron verzichtete, aber auch nach dem Verzicht hatte Anders sich noch alles leisten können – vor allem Frauen und Champagner.
Es gab keinen Grund, in Panik zu verfallen. Trotzdem spürte Phoebe, wie die Furcht mehr und mehr Besitz von ihr ergriff.
„Mommy …?“
„Ich kann dir das jetzt nicht erklären“, sagte sie lächelnd. „Aber du brauchst keine Angst zu haben. Diese Männer müssen etwas mit mir klären. Du kannst bei Mrs. Simpson bleiben.“
„Nein, ich will mitkommen.“
„Na gut.“ Als sie Christians Hand nahm, protestierte er nicht. Das bewies, wie aufgeregt er war. Entschlossen wandte sie sich wieder den Regierungsbeamten zu, die wie Racheengel in der Tür standen.
„Ich packe nur einige Dinge zusammen, dann können wir los.“ Noch einmal atmete sie tief durch, um ihrer Stimme mehr Festigkeit zu verleihen. „Ich möchte diese Unterredung so schnell wie möglich hinter mich bringen und zum Abendessen wieder hier sein.“
Dazu schwiegen die beiden.
Auf dem Bordstein parkte eine Limousine mit dunkel getönten Scheiben und dem Staatswappen von Amarnes. Ein weiterer dunkel gekleideter Regierungsbeamter stieg aus und bedeutete Phoebe und Christian, auf der Rückbank Platz zu nehmen, als sie sich dem Wagen näherten.
Während sie sich setzte, hörte Phoebe, wie die Türen verriegelt wurden, und fragte sich unwillkürlich, ob sie gerade den größten Fehler ihres Lebens beging. Aber nein, sie würde etwas unterschreiben, auf alle Ansprüche verzichten und wäre im Handumdrehen wieder zu Hause.
Weitere Kostenlose Bücher