Julia Extra Band 0316
eigentlich nie, was er will.“
„Jetzt schon: Er will mich!“
Nachdenklich sah Leo sie an. „Und Sie, wollen Sie ihn?“
„Natürlich.“ Wieder wurde Phoebe nervös. Der Empfangsraum mit seinen schweren Vorhängen und Möbeln wirkte erdrückend, wie ein goldener Käfig. Ob man sie wohl gehen lassen würde? Ihr war klar, dass sie in diesem kleinen, auf seine Unabhängigkeit pochenden Land nicht mit der üblichen Rechtssicherheit rechnen konnte. Und Leo schreckte bestimmt nicht davor zurück, seinen Einfluss geltend zu machen, um seine Ziele zu erreichen.
Wo war nur Anders? Wusste er, dass sie hier war? Warum suchte er nicht nach ihr? Seitdem er seiner Familie ihre Beziehung bekannt gegeben hatte, war er verschwunden.
„Sie kennen ihn also? Gut genug, um ein Leben lang mit ihm ins Exil zu gehen?“
„Ja, weit weg von einer Familie, die ihn weder akzeptiert noch liebt. Anders hat das alles hier nie gewollt, Mr. … Euer Gnaden.“
„Ach, tatsächlich?“ Leos Lachen klang sehr unangenehm. Er kehrte zum Fenster zurück. Während Phoebe wartete, begannen Ungeduld und Angst ihre Hoffnung und Zuversicht zu erschüttern.
„Wären zwanzigtausend amerikanische Dollar ausreichend? Oder müssten es eher fünfzigtausend sein?“
Mit einem Mal war Phoebes Angst wie weggeblasen. Wütend drückte sie die Schultern durch. „Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass Sie nicht genug –“
Leo drehte sich um. „Phoebe, Phoebe, Phoebe“, sagte er beinah zärtlich, „glauben Sie wirklich, dass ein Mann wie Anders Sie glücklich machen kann?“
„Woher will jemand wie Sie das denn beurteilen?“
„Jemand wie ich? Was soll das heißen?“
„Anders hat mir von Ihnen erzählt.“ Außerdem hatte sie gelesen, dass Leo auf nichts und niemanden Rücksicht nahm und sich nicht um Werte scherte. So wie er sich ihr gegenüber bisher verhalten hatte, traf das hundertprozentig zu. „Von Liebe und Treue haben Sie keine Ahnung. Das Einzige, was Sie interessiert, ist Ihr Vergnügen – und ich schätze mal, dabei stehe ich Ihnen gerade im Weg.“
„Das kann man so sagen.“
Einen Moment überlegte Phoebe, ob sie ihn verletzt hatte. Aber nein, das war unmöglich. Er lächelte schon wieder, und zwar höchst unangenehm. „Sie wissen ja gar nicht, Miss Wells, wie sehr.“ Dann änderte sich sein Gesichtsausdruck, sein Blick wurde nachdenklich, sein Lächeln verführerisch. Völlig überraschend machte er einen Schritt auf sie zu. „Was glauben Sie, wäre passiert, wenn Sie mich zuerst kennengelernt hätten?“
„Nichts“, stieß Phoebe hervor. Trotzdem beschleunigte sich ihr Pulsschlag, während Leo mit diesem wissenden Lächeln immer näher kam. Er blieb so dicht vor ihr stehen, dass sie seine Körperwärme spürte und sein Aftershave roch. Doch sie wollte sich nicht einschüchtern lassen und hielt den Kopf gesenkt, damit Leo nicht sah, wie elektrisiert sie tatsächlich war. Gegen ihren Willen wanderte ihr Blick an seiner Knopfleiste hinauf, bis dahin, wo das Hemd offen stand und den Blick auf seine Brust freigab. Bei diesem Anblick zog etwas in ihrem Bauch, das nur eine Ursache haben konnte: Sehnsucht und Verlangen.
Phoebe errötete, und Leo lachte leise. Mit einer Hand strich er ihr eine vorwitzige Locke aus der Stirn, und sie schreckte zurück.
„Sind Sie sich da so sicher?“
„Ja …“, antwortete sie, obwohl es nicht stimmte. Sie wusste es, und er wusste es auch. Sie durfte ihn nicht so nah an sich heranlassen, nicht, wenn sie Anders liebte.
„Sind Sie sich da so sicher?“, wiederholte Leo flüsternd, während seine Hand von ihrer Stirn an ihre Kehle sank, wo ihr Puls so heftig schlug wie die Flügel eines aufgeschreckten Vogels. Mit einem Finger berührte er die empfindsame Vertiefung an ihrem Hals, wobei Phoebe laut aufseufzte. Vor Schreck? Vor Wut?
Aus Lust?
Immer noch brannte die Stelle, wo er sie berührt hatte, und sie spürte, wie seine Verführungskünste ihren Widerstand schwächten. Ihre Knie wurden weich.
„Phoebe!“
Wieder seufzte sie auf, diesmal vor Erleichterung. Dann wich sie unsicheren Schritts von Leo zurück, von seinem wissenden Lächeln und den kundigen Händen. Anders kam ihr lächelnd entgegen und vertrieb all ihre Ängste.
„Ich habe dich gesucht. Niemand wollte mir sagen, wo du bist.“
„Ich bin hier gewesen“, rief sie und eilte mit Tränen der Erleichterung auf ihn zu. „Bei deinem Cousin.“
Darauf warf Anders Leo einen Blick zu, in dem so etwas wie Missmut, Angst
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