Julia Extra Band 0318
Sozialamt. Onkel Ben hat Mom in ein anderes Krankenhaus verlegen lassen, das nicht weit von hier entfernt ist. Für Larry ist das zu viel, weil er jetzt mit dem Bus fahren und zweimal umsteigen muss. Aber wenigstens hat er Mom und mich nie geschlagen. Im Gegensatz zu dem Idioten davor, Barry.
Noch ein Geheimnis: Ich will nicht, dass mein Onkel es weiß, aber es gefällt mir bei ihm. Nicht nur, dass das Haus toll ist. Alles ist sauber, und es ist immer was zu essen da. Auch wenn es uncoole Sachen sind, Bananen und Äpfel und so. Nur ab und zu gibt es Kekse oder Chips.
Ich fühl mich sicher hier. Alles hat irgendwie eine Ordnung. Keine Partys, bei denen sich die Leute mitten in der Nacht plötzlich anbrüllen und Flaschen zerschlagen. Bis dann irgendwann die Polizei kommt.
Es ist komisch, aber am meisten Angst hab ich, dass Onkel Ben mich nicht mehr mögen könnte. Mir wird richtig schlecht, wenn ich daran denke. Was mach ich nur, wenn er mich wegschickt? Trotzdem bin ich immer so gemein zu ihm. Mom war es auch immer. Jedes Mal, wenn er gekommen ist, hat sie ihn angeschrien, dass er abhauen soll. Dass es zu spät ist und wir ihn nicht brauchen. Dabei hat er uns immer was zu essen mitgebracht. Wenn er wieder gegangen ist, hat sie die Tür hinter ihm zugeknallt und losgeweint. „Warum kann er nicht sagen, dass er mich lieb hat?“, hat sie dann immer geschluchzt und war total traurig. So fühl ich mich auch oft, wenn ich wieder etwas Gemeines zu ihm gesagt habe.
Onkel Ben hat neue Sachen für mein Zimmer gekauft, ein Bett und so. Ich durfte sogar seinen supercoolen Fernseher und die Stereoanlage behalten! Ich hab noch nie neue Sachen gehabt. Die Bettwäsche war so neu, dass sie in der ersten Nacht noch ganz rau war. Fast hätte ich angefangen zu heulen, weil er sie extra für mich gekauft hat. Natürlich wollte ich nicht, dass er das sieht. Darum hab ich gesagt, dass Cowboys doof sind. Er hat mir seinen Fernseher gegeben, obwohl er selbst in seinem Zimmer keinen hat! Irgendwie hoff ich, dass ich für immer hier bleiben kann.
Mein Onkel ist bei den Marines gewesen. Er ist stark wie ein Stier, und er hat bestimmt schon Leute getötet. Da kann er Heulsusen sicher nicht ausstehen.
An der neuen Schule ist alles schön und ordentlich. Am Eingang steht kein Metalldetektor. Und in der Bibliothek stehen unglaublich viele Bücher. Aber ich will mich lieber nicht zu sehr darüber freuen, falls sich alles wieder ändert.
Mit Miss Maple ist es genauso. Sie ist echt zu nett, um wahr zu sein. Wie mit dem Buch vorhin. Da hab ich mir gewünscht, ich könnte einfach auf ihrem Schoß sitzen und weinen. Kyle, die Heulsuse.
Miss Maple erinnert mich an diese Filme, in denen die Familie in einem großen Haus in einer schönen Straße wohnt. Die Leute haben einen Golden Retriever und einen tollen Garten, so wie die von Onkel Ben. Voll mit Blumen und Springbrunnen und so.
Miss Maple wird sicher einmal eine Mutter wie aus einem dieser Filme. Das sieht man ihr an. Wenn sie heiratet und Kinder hat, dann gibt es keine nächtlichen Partys, bei denen alles zerschmissen wird! Dafür gibt es selbst gebackene Kekse und Milch, bevor es ins Bett geht. Und jeden Abend wird gebadet, egal, ob man dreckig ist oder nicht. Anschließend legt sie sich noch mit aufs Bett und liest einem Geschichten vor, von sprechenden Schildkröten oder so.
Bei Miss Maple muss man ordentlich Zähne putzen, immer brav Bitte und Danke sagen und immer pünktlich kommen. Blöde Regeln, die kein Mensch braucht! Aber eigentlich ist sie die Mom, die ich mir immer gewünscht hab. Wie mies von mir, das zu denken, wo meine richtige Mom im Sterben liegt.
Meinem Onkel habe ich erzählt, dass Miss Maple alt und gemein und hässlich ist. Ich wollte nicht, dass er auch nur in ihre Nähe kommt. Weil er doch so ein Ladykiller ist. Die Vorstellung, mein Onkel und meine Lehrerin könnten sich mögen, ist voll grausam. Ich hab da so eine dumme Vorahnung. Ich denk überhaupt ständig darüber nach, was passieren könnte. Von Überraschungen hab ich die Nase voll.
Ich hätte Onkel Ben den Brief besser nicht gegeben. Als Miss Maple und er sich getroffen haben, war es schlimmer, als ich gedacht hatte. Dieser Blick! Er taucht immer auf, wenn gerade alles gut ist. Erst gibt es nur mich und Mom auf der Welt, und dann seh ich plötzlich wieder so einen Blick zwischen ihr und irgendeinem Idioten. Ab da geht es bergab. Onkel Ben und Miss Maple sind natürlich keine Idioten, aber wenn die Sache
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