Julia Extra Band 0318
wirklich in der Familie liegt, weiß ich, was jetzt kommt. Wenn er sich für sie entscheidet, will er mich bestimmt loswerden. Daran darf ich nicht denken, sonst bekomme ich wieder Bauchschmerzen.
Ich muss sie vergraulen. Genau. Das könnte klappen. Wenn sie merkt, was für einen fürchterlichen Neffen er hat, wird sie bestimmt das Interesse verlieren. Ich muss es schaffen, dass sie nichts mit uns zu tun haben will. Absolut nichts.
Ob Miss Maple wohl schreit, wenn sie einen Frosch in ihrem Pult findet?
Ich habe einen gesehen, einen riesengroßen. Am Teich hinter der Schule, Migg’s Pond, wo wir nicht hindürfen. Außer, wir machen eine Exkursion.
Wenn ich an den Frosch denke, gehen die Bauchschmerzen weg, und ich kann endlich schlafen. Das ist besser, als mir Mom vorzustellen, die allein im Krankenhaus liegt. Oder darüber nachzudenken, ob mein Onkel mich bei sich behält oder nicht.
2. KAPITEL
Beth Maple hörte ein unterdrücktes Kichern, als sie die oberste Pultschublade aufzog, um einen Preis für Mary Kay Narsunchuk zu suchen, die gerade den wöchentlichen Buchstabierwettbewerb gewonnen hatte.
Während des gesamten Wettbewerbs hatte sie aus dem Augenwinkel beobachtet, wie Kyle scheinbar geistesabwesend aus dem Fenster geschaut hatte. Dabei hatte er lautlos und unbewusst jeden einzelnen Buchstaben der Wörter, die sie den Schülern zum Buchstabieren gab, vorgesagt. Einschließlich des Worts, an dem Mary Kay schließlich gescheitert war, „Finesse“. Aber jedes Mal, wenn sie Kyle aufgerufen hatte, um ein Wort zu buchstabieren, hatte er nur böse geguckt und den Kopf gesenkt. Immerhin war das ein Fortschritt gegenüber letzter Woche. Da hatte er, wenn sie ihn drangenommen hatte, zwar ein Wort buchstabiert, aber nie das vorgegebene. Anstelle von „trödeln“ buchstabierte er „blödeln“. Statt „Kooperation“ wollte er „Kopulation“ buchstabieren, wobei sie ihn gerade noch rechtzeitig unterbrechen konnte. Zum Glück schien keiner ihrer Viertklässler zu verstehen, was es mit der Unterbrechung auf sich hatte.
Diese Woche benahm Kyle sich verdächtig gut. Optimistisch dachte Beth, es läge vielleicht daran, dass Kyles Onkel nach dem gestrigen Treffen mit ihm über ihren Plan gesprochen hatte und das Belohnungssystem nun auch zu Hause umsetzte.
Wahrscheinlich war es dieser kurze Gedanke an Ben Anderson, der Beth beim Öffnen der Schublade für einen Augenblick unachtsam machte. So unachtsam, dass sie nicht auf das Kichern reagierte.
Ein riesiges grünes Etwas sprang aus dem Pult und streifte ihre Hand. Es war schleimig und ekelerregend! Ungewollt tat Beth, was kein Lehrer je vor der Klasse tun sollte.
Sie schrie.
Gleich darauf fand sie ihre Selbstbeherrschung wieder und presste die Faust vor den Mund. Vor ihr auf dem Boden, keinen Meter entfernt, saß der größte Frosch, den sie je gesehen hatte. Er starrte sie mit kleinen glänzenden Reptilienaugen an.
Es ist nur ein Frosch, beruhigte sie sich selbst, schrie aber trotzdem noch einmal, als das Tier einen Hüpfer auf sie zumachte. Trotz des plötzlichen Lärms im Klassenzimmer hörte sie im Hintergrund deutlich Kyles glucksendes Lachen.
Es herrschte völliges Chaos. Eine Horde von zwölf unerschrockenen Junghelden bemühte sich eifrig, ihre Lehrerin vor der drohenden Gefahr zu retten. Angeführt wurde die Schar von Casper Hearn, einem für sein Alter sehr großen und schweren Jungen. Er jagte den Frosch durch den ganzen Raum, wobei er Tische und hysterische Mädchen einfach zur Seite stieß.
Am Ende war es Kyle, der schwer atmend aus dem Gewühl auftauchte und den Frosch fest an die Brust gedrückt hielt. Die anderen Kinder umringten ihn. Etwas Verzweifeltes in Kyles blassem sommersprossigem Gesicht verriet, dass er fest entschlossen war, das Tier zu verteidigen.
„Her mit dem Frosch“, rief Casper drohend.
„Ich warne dich! Bleib weg, sonst …“, brüllte Kyle. Seine Warnung wirkte wenig überzeugend, denn seine Stimme zitterte. Außerdem wog Casper mindestens zwölf Kilo mehr als er.
Casper lachte verächtlich. „Sonst was?“
„Sonst werdet ihr brennen und euer schmelzendes Fett wird den Boden tränken!“, schrie Kyle und stopfte den Frosch unter sein Hemd.
Erschreckt wich Casper einen Schritt zurück. Im Klassenzimmer wurde es totenstill. Einen Moment starrte Casper Kyle verstört an, dann schüttelte er den Kopf und setzte sich auf seinen Platz. Auch die anderen gingen zurück zu ihren Plätzen.
Kyle wirbelte herum und
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