Julia Extra Band 0318
ist.“
„Verdammt noch mal, Mann!“, brüllte Eduardo. „Wollen Sie mich umbringen, oder was?“
Erschrocken ließ der Physiotherapeut von seinem Patienten ab. Er hatte dessen Oberschenkel gerade in eine bestimmte Position drehen wollen, um die Beweglichkeit zu testen. Aber angesichts der höllischen Schmerzen, die er damit offenbar ausgelöst hatte, brachte er das vernarbte Bein mit einer gemurmelten Entschuldigung schnell wieder in seine Ausgangsposition zurück.
Kalter Schweiß stand Eduardo auf der Stirn, und seine Brust hob und senkte sich heftig, während er mit zusammengepressten Lippen an die hohe, stuckverzierte Decke der Bibliothek starrte.
„Sind wir jetzt fertig?“, erkundigte er sich schroff, sobald sich sein rasender Herzschlag wieder einigermaßen beruhigt hatte.
Der Physiotherapeut strich sich das blonde Haar aus der Stirn und nickte mitfühlend. „Ja, ich denke, für heute ist es genug, Mr. de Souza. Ich rate Ihnen, sich für den Rest des Tages zu schonen. Versuchen Sie, zu einer guten Nachtruhe zu kommen, und übertreiben Sie nichts.“
„Hat man Ihnen diese nichtssagenden Floskeln in der Ausbildung beigebracht?“, spottete Eduardo, als er sich stöhnend in eine aufrechte Position hievte und dabei geflissentlich die hilfsbereit ausgestreckte Hand des Therapeuten übersah.
Der junge Mann schien nicht im Geringsten beleidigt zu sein. „Bei schweren physischen Traumata ist Ruhe tatsächlich das beste Heilmittel“, fuhr er sachlich fort. „Der Körper muss Zugang zu den eigenen Heilkräften bekommen, und mit Ruhe verschafft man ihm die Gelegenheit dazu. Es tut mir leid, dass die Behandlung heute besonders unangenehm war, aber ich kann Ihnen definitiv versichern, dass der Heilungsprozess gut voranschreitet. In ein bis zwei Monaten sollten Sie beim Laufen eine deutliche Verbesserung feststellen.“
„Ich werde Sie beim Wort nehmen“, knurrte Eduardo. Beim Heruntersteigen von der Liege akzeptierte er die Hilfe des Therapeuten, wenn auch mit sichtlichem Widerwillen. Nachdem er früher enorm fit und leistungsfähig gewesen war, empfand er es als schwere Demütigung, dass er nicht einmal allein von diesem lächerlichen Tisch herunterkam.
Er hörte, wie in der Halle die Eingangstür geöffnet und wieder geschlossen wurde. Das musste Ricardo sein, dem er aufgetragen hatte, Marianne mit dem Geländewagen abzuholen. Eduardo hatte keine Ahnung, warum sie sich plötzlich doch noch entschlossen hatte, die Stelle als Haushälterin anzunehmen. Im Wesentlichen führte er es aber auf ihren gesunden Menschenverstand und die ständig weiter fallenden Temperaturen zurück.
Als von unten ein helles Lachen ertönte, zog der Physiotherapeut überrascht die Brauen hoch. „Hört sich an, als hätten Sie Gesellschaft bekommen, Mr. de Souza“, bemerkte er fröhlich. „Lassen Sie mich schnell zusammenpacken, dann bin ich weg.“
„Ich könnte mir vorstellen, dass Miss Lockwood eine heiße Schokolade zum Aufwärmen gut tun würde, Ricardo. Du findest uns im Wohnzimmer.“
Während Ricardo den übergroßen Tweedmantel seiner neuen Arbeitskollegin zur Garderobe trug, wanderte Eduardos Blick über Mariannes farbenfrohe Kleidungsstücke.
„Vielleicht sollten Sie die vorher abnehmen“, schlug er vor und deutete auf ihre kirschrote Wollmütze, unter der ihr langes, gewelltes Haar wie ein honigfarbener Wasserfall hervorquoll.
„Ach ja, die hatte ich ganz vergessen.“ Mit einem verlegenen Lächeln zog Marianne sich die Mütze vom Kopf und stopfte sie in ihre große Tasche, einem Ungetüm aus zahllosen bunten Samtquadraten.
Unwillkürlich musste er an Mary Poppins denken, den Inbegriff des exzentrischen englischen Kindermädchens. Nur leider amüsierte ihn der Vergleich kein bisschen. Nachdem er auf so schreckliche Weise sein ungeborenes Kind verloren hatte, brauchte er keine hübsche, fröhliche Nanny, sondern eine vernünftige, bodenständige Person, die dafür sorgte, dass das tägliche Leben in seinem selbst gewählten Exil etwas erträglicher und glatter verlief.
„Bitte folgen Sie mir“, forderte er sie auf und geleitete sie durch einen breiten Korridor, an dessen Ende eine halb geöffnete Tür in ein großes, behaglich eingerichtetes Wohnzimmer führte. Als sie eintraten, empfing sie eine wohltuende Stille, die nur durch das Knacken und Zischen des Kaminfeuers und das beruhigende Ticken einer antiken Standuhr unterbrochen wurde.
„Oh, wie himmlisch!“, rief Marianne, womit sie jedoch nicht
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