Julia Extra Band 0318
betörende Lächeln wieder da, offen und unverstellt. Es kam Eduardo vor, als hätte sich ein seltener und schöner Vogel in eine graue Gefängniszelle verirrt.
„Ich weiß selbst, dass ich mich damit nicht gerade als Haushälterin qualifiziere“, fügte Marianne rasch hinzu. „Aber ich lerne schnell, und es macht mir großen Spaß, all die Dinge zu tun, die ein Haus zu einem gemütlichen Heim machen.“
„Apropos Heim“, ergriff Eduardo die günstige Gelegenheit, mehr über sie zu erfahren. „Wo haben Sie denn bis jetzt gelebt, Marianne? In einer Kommune oder einem besetzten Haus vielleicht?“
Sie warf ihm einen irritierten Blick zu. „Nein, ich habe in einem ganz normalen, bürgerlichen Haus mit einem kleinen Garten gewohnt.“
„Mit Ihrem Freund?“
„Nein“, antwortete sie knapp. „Hören Sie, Mr. de Souza, könnten wir jetzt vielleicht über die Aufgaben sprechen, die mich hier erwarten? Je schneller ich einen Überblick über meine Pflichten bekomme, umso weniger muss ich Sie später mit Fragen belästigen.“
Widerstrebend bändigte Eduardo seine Neugier. Eine so professionelle Herangehensweise an die Arbeit war das Letzte, was er von einer Lebenskünstlerin wie Marianne Lockwood erwartet hätte. Doch es konnte ihm nur recht sein. Ein reibungslos laufender Haushalt würde ihn zwar weder von seinen Schmerzen noch von seinen Selbstvorwürfen befreien, wäre aber immerhin eine Annehmlichkeit.
„Gehen Sie morgen früh zu Ricardo in die Küche, dann wird er Ihnen alles erklären. Ich habe ihn bereits gebeten … ah, da kommt er ja selbst.“
Als der große, dunkeläugige junge Mann mit dem dichten schwarzen Lockenschopf hereinkam und Marianne lächelnd eine Tasse köstlich duftender Schokolade überreichte, beneidete Eduardo seinen Angestellten im Stillen um dessen unkomplizierte Art. Im Vergleich zu ihm kam er sich plötzlich wie ein gebrechlicher Greis vor und nicht wie ein Mann von siebenunddreißig Jahren.
„Ich habe Miss Lockwood gerade gesagt, dass du sie morgen in ihre Pflichten einweisen wirst“, teilte er Ricardo mit, bevor er sich wieder Marianne zuwandte. „Während Sie die Schokolade trinken, wird Ricardo Ihr Gepäck aus dem Wagen holen und Ihnen dann Ihr Zimmer zeigen.“
Ricardo verschwand, und Marianne nippte dankbar an dem heißen Getränk. Sie sieht müde aus, stellte Eduardo fest. Bestimmt konnte sie es kaum erwarten, auf ihr Zimmer zu kommen und darüber nachzudenken, was ihr die nächsten Tage und Wochen an diesem isolierten Ort mit ihrem wortkargen neuen Arbeitgeber bringen mochten. Würde sie ihre Entscheidung bereuen, sobald ihr klar geworden war, worauf sie sich eingelassen hatte?
Sich bitter seiner körperlichen Unzulänglichkeiten und der Tatsache bewusst, dass Depressionen und Verzweiflung ihn zu einem schroffen, chronisch schlecht gelaunten Langweiler gemacht hatten, unterdrückte Eduardo einen Fluch.
Zum Glück kehrte in diesem Augenblick Ricardo zurück, der mit seinem sonnigen Gemüt fraglos besser in der Lage war, Marianne das Gefühl zu geben, in diesem Haus willkommen zu sein.
Marianne war restlos entzückt von dem Raum, der von jetzt an ihr persönliches Reich sein würde. Noch nie hatte sie ein so einladendes, gemütliches Schlafzimmer gesehen. Sie bedankte sich bei Ricardo, der ihre Reisetasche auf dem breiten Messingbett abgelegt und den Koffer mit ihrer geliebten Gitarre sorgsam an die Wand gelehnt hatte, und wünschte ihm eine gute Nacht.
Beim Anblick der fülligen weißen Kissen und der mit Rosenblüten bestickten Tagesdecke gestand sie sich endlich ein, wie erschöpft sie war – körperlich, seelisch und emotional. Doch als sie ans Fenster trat und in die kalte, mondhelle Nacht hinausblickte, überkam sie ein unerklärliches Gefühl von Frieden. Sie hatte sämtliche Brücken hinter sich abgebrochen, jede Sicherheit aufgegeben, aber eine innere Stimme sagte ihr, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Auch ahnte sie instinktiv, dass sich hinter Eduardo de Souzas schroffer, undurchschaubarer Fassade ein guter Mensch verbarg, von dem sie nicht das Geringste zu befürchten hatte.
Nachdem sie eine Weile reglos dagestanden hatte, wandte Marianne sich vom Fenster ab und ging über den sanft schimmernden Eichenholzboden zu der schönen Mahagonikommode an der gegenüberliegenden Wand. Auf der Kommode stand eine schlanke Vase, in der einige Freesien mit noch fest geschlossenen Blütenknospen standen.
Beim Aufziehen der geräumigen
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