Julia Extra Band 0326
geschlendert, und er hat mir sämtliche Sehenswürdigkeiten gezeigt! Ich habe sogar eine Münze in den Trevibrunnen geworfen und mir dabei etwas gewünscht. Dann haben wir in einem Straßenlokal etwas gegessen – natürlich nicht so toll wie ihr, denn Nico verdient nicht so viel.“
Coral seufzte. „Trotzdem ist er ein ganz besonderer Mann, er hat mir das Gefühl vermittelt, eine schöne und begehrenswerte Frau zu sein. Er ist wahnsinnig charmant, und das ist neu für mich. Er ist ehrlich an mir interessiert und wollte alles über mich wissen, was ich erlebt habe, wo ich arbeite und wie ich wohne.“ Sie machte eine kleine Pause, um Atem zu schöpfen.
„Stell dir vor, er will mich vielleicht schon im nächsten Monat in England besuchen. Er kommt allein meinetwegen! Ist das nicht unglaublich?“ Sie ließ sich in ihr Kissen zurückfallen. „Ich schwebe wie auf Wolken – ich glaube, ich habe mich Hals über Kopf verliebt. Hältst du mich für verrückt, Emily?“
„Allerdings.“ Mit lautem Knall zog Emily die Badezimmertür hinter sich zu.
Coral ist viel zu naiv und leichtgläubig, dachte sie, als sie sich unter die Brause stellte und zum Duschgel griff. Nico schien ein wirklich netter junger Mann zu sein, doch er war beträchtlich jünger als Coral. Offensichtlich schmeichelte es seiner männlichen Ehre, auf eine gut aussehende Engländerin wie Coral einen so tiefen Eindruck zu machen. Außerdem war sie bestimmt nicht die erste Touristin, von der er sich ein nettes Abenteuer versprach. Und Coral bildete sich ein, ihren Märchenprinzen gefunden zu haben. Wie konnte sie bloß so verblendet sein!
Unnötig energisch rieb Emily sich trocken. Plötzlich fand sie die ganze Situation unerträglich und wünschte sich weit weg. Ärgerlich über sich selbst, blickte sie kurz in den Spiegel. Sie wusste genau, weshalb sie mit sich und der Welt nicht im Reinen war. Es hatte nichts mit Corals Luftschlössern zu tun – schuld daran war allein Giovanni Boselli.
Wie war es ihm nur gelungen, ihre Selbstbeherrschung zu unterlaufen und Gefühle, die sie längst für überwunden gehalten hatte, zu neuem Leben zu erwecken? Sie musste den Tatsachen ins Auge sehen: Sie, die unnahbare Emily Sinclair, war dem Zauber eines attraktiven Italieners erlegen.
Mit spielerischer Leichtigkeit hatte er ihr das Gefühl vermittelt, für ihn einmalig zu sein. Damit stand sie allerdings nicht allein. Auch das schöne Mädchen auf dem Foto schien er davon überzeugt zu haben, in seinem Leben eine außergewöhnliche Rolle zu spielen. Wer wusste, wie viele Frauen darüber hinaus ähnliche Illusionen hegten?
Als sie ins Zimmer zurückkehrte, redete Coral, die sie bereits sehnsüchtig erwartet hatte, eifrig weiter. „Emily, Nico war noch nie in England und kennt dort niemanden. Daher habe ich ihm versprochen, er könne bei uns wohnen – es wäre ja nur für eine Woche.“
„Coral! Er ist für uns ein völlig unbekannter Mann und muss auf der Schlafcouch im Wohnzimmer schlafen und sich mit uns Bad und Küche teilen!“
„Das habe ich ihm auch gesagt, aber es stört ihn nicht.“ Coral geriet ins Schwärmen. „Er wird mir Italienisch beibringen! Wir haben bereits damit angefangen, und ich beherrsche schon einige kleine Redewendungen. Aber jetzt erzähl mir endlich von Giovanni! Bestimmt war dein Abend ebenso aufregend wie meiner.“
Emily schilderte einige unbedeutende Einzelheiten. Erst als sie auf ihren Unfall zu sprechen kam, geriet sie etwas ins Stocken. Coral mitzuteilen, in Giovannis Wohnung gewesen zu sein, fand sie etwas schwierig.
„Du warst mit bei ihm? Ich fasse es nicht! Wie ist er eingerichtet? Was habt ihr gemacht?“
„Ich weiß nicht, worauf du anspielst, Coral. Giovanni besitzt eine Eigentumswohnung in einer Luxusanlage und ist minimalistisch, aber teuer und mit erlesenem Geschmack eingerichtet.“ Sie machte eine kleine Pause. „Wenn du es genau wissen möchtest, er hat mir einen Eisbeutel auf den verletzten Fuß gedrückt, das war unsere intimste Berührung. Ausgesprochen romantisch, findest du nicht auch?“
Am nächsten Morgen hatten Emily und Coral noch ausreichend Zeit, um ausgiebig zu frühstücken und in Ruhe ihre Koffer zu packen. Anschließend gingen sie ins Foyer, um auf ihr Taxi zu warten.
„Nico hatte heute seinen freien Tag.“ Traurig blickte Coral zur Rezeption, doch sofort schlug ihre Stimmung um. „Sieh dir nur den Typen an, Emily! Wo nimmt die Hotelleitung nur all die tollen Männer her?“
Emily
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