Julia Extra Band 0326
Nerven.
„Bestimmt bin ich nicht die einzige Kandidatin auf deiner Liste, Justin. Such dir eine andere aus.“ Sie ordnete die Unterlagen auf ihrem Tisch neu. „Außerdem bin ich bereits verabredet und muss kochen, ich habe nämlich jemanden zum Essen eingeladen.“
„Das nehme ich dir nicht ab“, antwortete er entschieden.
Emily wurde ärgerlich, weil sie anscheinend so leicht zu durchschauen war. „Glaub, was du möchtest“, erwiderte sie daher ausdruckslos und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu.
Es war bereits nach sieben, als Emily das Büro verließ. Hilflos bemerkte sie, wie sich Justin, der eigentlich einen anderen Weg hatte, an ihre Fersen heftete. Wie sollte sie ihren ungebetenen Begleiter nur abschütteln?
„Emily!“ Aus einem Hauseingang trat plötzlich ein großer Mann. Emily stutzte einen Moment, so überrascht war sie, doch dann hätte sie vor Erleichterung am liebsten gejubelt. Giovanni!
Sie rief seinen Namen, lief auf ihn zu und warf sich ihm regelrecht an die Brust. So unerwartet dieser stürmische Empfang für Giovanni auch kam, besaß er Geistesgegenwart genug, die Situation zu seinem Vorteil zu nutzen. Eng zog er Emily an sich und küsste sie mitten auf den Mund.
„Giovanni, darf ich dir Justin vorstellen? Er ist ein Kollege von mir.“ Triumphierend blickte sie Justin an. „Und dies, Justin, ist Giovanni Boselli.“
„Nett, Sie zu treffen, Giovanni.“ Er räusperte sich beherrscht. „Dann sind sie also Emilys Verabredung zum Essen. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.“ Justin verbeugte sich leicht. „Und bis Montag, Emily.“
Sobald er nicht mehr zu sehen war, löste sich Emily aus der Umarmung. Giovanni ließ es widerstandslos geschehen. Belustigt sah er sie an. „Ich hatte keine Ahnung, wie sehr du mich vermisst hast … Aber anscheinend kam ich als Alibi gerade recht“, fügte er dann nüchtern hinzu.
„Falls dir die Situation peinlich war, möchte ich mich dafür entschuldigen“, entgegnete sie kleinlaut. „Justin hat heute nämlich Geburtstag und wollte mit mir ausgehen. Um mich vor der Einladung zu drücken, gab ich vor, Besuch zum Essen zu erwarten, was er mir allerdings nicht glaubte. Und dann warst du plötzlich da …“
„Gern geschehen, es war mir eine Ehre.“ Auf dem Weg zur U-Bahn hakte er sie ein, und Emily verspürte im ganzen Körper ein angenehmes Prickeln.
„Wie hast du mich überhaupt gefunden?“, erkundigte sie sich, nur um etwas zu sagen.
„Diese Filiale schien mir deinen Äußerungen nach die richtige. Um auf Nummer sicher zu gehen, habe mich heute Vormittag persönlich an der Rezeption erkundigt, ob Emily Sinclair im Hause sei. Doch wenn ich dich hier nicht gefunden hätte, hätte ich sämtliche Londoner Filialen abgeklappert.“
„Du hättest mich ganz einfach auf dem Handy anrufen können …“
„Um mir die zweite Abfuhr einzuhandeln? Nein, danke!“ Er lächelte belustigt. „Jetzt bin ich hier und lasse mich nicht wieder abschütteln. Und was die Gestaltung des Abends betrifft, habe ich dir mehrere Vorschläge zu machen.“
Seit Emily zurück in London war, hatten die Erinnerungen an Giovanni sie nicht losgelassen, und jetzt, da er in Fleisch und Blut vor ihr stand, spielten ihre Gefühle völlig verrückt. Genau das hatte sie befürchtet, und deshalb hatte sie Giovanni auch niemals wiedersehen wollen.
„Ich möchte mich gern revanchieren, Giovanni“, meinte sie dennoch, als sie sich einen Weg durch die Menschenmenge auf dem Bahnsteig bahnten. „Wenn du meinen Kochkünsten traust, würde ich dich gern zu mir zum Essen einladen. Zum Ausgehen bin ich ehrlich gesagt zu müde.“
„Eine hervorragende Idee! Hoffentlich macht es Coral nichts aus, wenn ich eure traute Zweisamkeit störe.“
„Coral ist gar nicht da.“ Emily blickte zu Boden. „Sie besucht ihre Eltern in Wales und kommt erst Sonntag spät abends wieder.“
In dem ruhigen Vorort von London angekommen, hatten sie von der U-Bahn-Station nur wenige Schritte bis zu dem Haus zu laufen, in dem Emily und Coral sich eine Wohnung teilten.
„Wir leben längst nicht so luxuriös wie du“, warnte Emily, als sie die Treppen zum ersten Stock hochstiegen.
„Mir gefällt es hier ausgesprochen gut“, erwiderte Giovanni jedoch, nachdem er sich in der Wohnung umgesehen hatte. „Für zwei berufstätige Frauen ist alles geradezu ideal. Jede von euch hat ein eigenes Zimmer, Küche und Bad sind nicht groß, aber ausreichend, und der Wohnraum ist hell und
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