Julia Extra Band 0326
freundlich.“
„Mein Ziel ist es, irgendwann eine eigene Wohnung zu besitzen“, erklärte Emily. „Deshalb möchte ich die nächsten Jahre lieber wenig Miete zahlen und mehr Geld ansparen.“
Sie lächelte Giovanni an, der mitten im Raum stand und sich umsah.
„Es ist ein hübsches und gemütliches kleines Heim.“ Er nickte anerkennend. „Du wohnst genau so, wie ich es mir vorgestellt hatte.“
Besonders die Bilder an der Wand, alles Originale, gefielen ihm, und er trat näher, um sie genauer zu betrachten. Es waren Pastellmalereien, Landschaften, Stillleben und ein Bild von einem See.
„Sehr schön. Ein unbekannter Künstler?“, fragte er.
„Sehr unbekannt“, antwortete sie. „Es sind meine bescheidenen Versuche.“
Giovanni war tief beeindruckt. Er verstand etwas von Kunst, und diese Bilder waren seiner Meinung nach überdurchschnittlich gut. Er trat einen Schritt zurück, um sie besser beurteilen zu können.
„Sie sind fantastisch, Emily, du besitzt Talent – aber das weißt du ja bestimmt selbst. Warum, in aller Welt, arbeitest du in einer Reiseagentur?“
Sie seufzte. „Ich habe die Kunstakademie mit einem glänzenden Examen abgeschlossen und bin nur wirklich glücklich, wenn ich malen darf. Doch ohne Geld kann auch ich nicht leben. Deshalb arbeite ich dort, wo ich gut verdiene.“ Sie wandte sich ab.
„Irgendwann einmal werde ich es mir vielleicht leisten können, den ganzen Tag an der Staffelei zu verbringen. Doch die Aussichten sind nicht allzu rosig, denn ich besitze weder eine Erbtante, noch spiele ich Lotto.“
„Dein Vater muss sehr stolz auf dich sein.“ Giovanni war immer noch ganz in den Anblick der Kunstwerke versunken.
„Natürlich. Doch das sagt nichts über die Qualität meiner Bilder aus, Eltern neigen dazu, die Leistungen ihrer Kinder in den Himmel zu loben. Jedenfalls hat er mir diese Bilder gerahmt und auch noch andere, die bei ihm zu Hause hängen.“
„Ich werde dich bestimmt überall empfehlen“, versicherte Giovanni mit Nachdruck. „Hast du schon etwas verkauft?“
„Ich habe es noch nicht versucht, ich traue mich einfach nicht. Nur eine einzige vernichtende Kritik, und mein Selbstbewusstsein wäre am Boden zerstört. Bisher habe ich mich darauf beschränkt, meine Werke an gute Freunde zu verschenken.“
„Hoffentlich gehöre ich auch in diese Kategorie, denn ich hätte gern eins für meine Wohnung.“ Er drehte sich um und sah ihr in die Augen. „Nenn deinen Preis, und ich bezahle ihn dir. Mir schöne Dinge anzuschauen, beschwingt mich, es ist gut für die Seele.“
Emily war sein Lob peinlich. „Es wird höchste Zeit, mich umzuziehen und in die Küche zu gehen“, erwiderte sie statt einer Antwort. „Mach es dir bequem und amüsier dich.“ Sie drückte ihm die Fernbedienung des Fernsehers in die Hand. „Dort drüben steht das, was ich dir an Alkohol anzubieten habe – keine ausgesprochen reichhaltige Auswahl, wie ich befürchte.“ Schnell drehte sie sich um und flüchtete ins Badezimmer.
Giovanni folgte Emilys Anregung, schenkte sich einen Whisky ein und stellte sich damit ans Fenster. Nachdenklich trank er einen Schluck. Erstaunlich, wie sich die Dinge in den letzten Stunden entwickelt hatten. War er schon erfreut gewesen, wie einfach er Emily in London gefunden hatte, so war er von dem leidenschaftlichen Empfang geradezu überwältigt gewesen – obwohl die Erklärung dafür nichts direkt mit ihm zu tun hatte.
Vielen Dank, Justin, dachte er und lächelte versonnen, allein deinetwegen habe ich mir keine Abfuhr, sondern sogar eine Einladung zum Essen eingehandelt. Was Emily betraf, war das Glück eindeutig auf seiner Seite.
Gerade wollte er sich setzen und den Fernseher einschalten, als Emily zurück ins Wohnzimmer kam. Sie trug jetzt Jeans, ein weißes T-Shirt und hatte sich offensichtlich ganz abgeschminkt. Das Haar fiel ihr offen auf die Schultern und glänzte frisch gebürstet.
Ihr Teint war so zart und klar, dass sich Giovanni auf die Lippen beißen musste, um Emily keine Komplimente wegen ihres Aussehens zu machen. Bei jeder anderen Frau hätte er das getan und wäre sich sicher gewesen, mit seinen Worten zu gefallen. Bei Emily jedoch musste er anders vorgehen. Sie war eher vernünftig als romantisch, und allzu viele Schmeicheleien würden sie höchstens zu spöttischen Bemerkungen reizen.
„Das Kochen ist schnell erledigt, ich hatte alles schon vorbereitet“, meinte sie. „Eigentlich wollte mein Bruder heute kommen, er leidet
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