Julia Extra Band 0326
Giovanni war ihr Freund und nicht Corals …
10. KAPITEL
„Dad, du entwickelst dich allmählich zum Meisterkoch.“ Emily half ihrem Vater beim Einräumen der Spülmaschine. „Hast du etwa heimlich Unterricht genommen?“
Hugh Sinclair, ein großer, schlanker und gut aussehender Mann mit silbergrauem Haar, sah seine Tochter lächelnd an. „Auch ich habe meine kleinen Geheimnisse, Emily, selbst vor meinen Kindern. Aber ich freue mich, wenn es euch geschmeckt hat, denn ihr seid mein liebster Besuch.“
Sie trugen das Kaffeegeschirr ins Wohnzimmer, wo Paul auf dem Sofa saß und in der Sonntagszeitung blätterte. Ihr Bruder war eine jüngere Ausgabe ihres Vaters, er war ihm wie aus dem Gesicht geschnitten und besaß die gleichen stahlgrauen Augen. Emily wunderte sich immer wieder, wieso Paul sich für keine der schönen Frauen, die ihn umschwärmten, ernsthaft interessierte. Neben einer längeren Beziehung hatte er mehrere unverbindliche Liebschaften hinter sich und war immer noch Single.
Hugh räusperte sich. „Ich freue mich ganz besonders, euch heute hier zu haben“, begann er, und Emily horchte auf. Anscheinend hatte er etwas Wichtiges zu sagen. Hoffentlich war er nicht krank!
„Emily meinte vorhin, ich hätte Nachhilfeunterricht im Kochen genommen, und damit liegt sie gar nicht so falsch.“ Er zögerte etwas, redete dann aber in seiner gewohnt offenen und direkten Art weiter. „Ich habe nämlich eine wunderbare Frau namens Alice kennengelernt, die mir etwas auf die Sprünge geholfen hat. Wir sind vor einiger Zeit im Gartencenter zufällig ins Gespräch gekommen und treffen uns seither. Auch Alice ist seit einigen Jahren verwitwet, daher haben wir viele Gemeinsamkeiten und unterstützen uns gegenseitig.“
Die Geschwister waren sprachlos. Emily fasste sich am schnellsten. „Du hast also eine Freundin, Dad?“, fragte sie langsam und immer noch ungläubig.
Bisher hatte ihr Vater stets behauptet, keine andere Frau könne je den Platz ihrer verstorbenen Mutter einnehmen, in seinem Leben würde es daher nie wieder eine Frau geben. Doch er war ein attraktiver Mann und noch lange kein Rentner …
Das waren ja Neuigkeiten! Emily musste lächeln. „Erzähl weiter, Dad“, ermunterte sie ihn. „Wir möchten alles ganz genau wissen.“
„Wir sind schon fast ein Jahr zusammen“, redete er langsam weiter. „Anfangs haben wir uns nur zwei Mal die Woche gesehen, dann immer häufiger. Alice stellte mich ihren Freunden vor, mit denen sie Bridge spielt, und ich habe mich ihrem Kreis angeschlossen. Wir besuchen uns und spielen regelmäßig einmal die Woche Karten.“
Er setzte seine Tasse ab. „Kontakt mit netten, interessanten Menschen meines Alters zu haben, hat wieder Farbe in meinen Alltag gebracht. Noch schöner ist es jedoch, wieder jemanden an meiner Seite zu haben – wenn ihr das versteht.“
Emily stand auf, um ihren Vater zu umarmen. „Ich finde das super, Dad! Warum hast du uns nicht schon längst von Alice erzählt? Wir hatten doch nie Geheimnisse voreinander.“
„Lange Zeit gab es nichts zu erzählen – jedenfalls bildete ich mir das ein, weil ich unsere Beziehung nicht in diesem Licht sah.“ Er blickte zu Boden. „Jetzt muss ich mich dazu bekennen, andernfalls werde ich Alice verlieren.“
„Dad, das klingt ja richtig ernst.“ Auch Paul umarmte seinen Vater. „Wann dürfen Emily und ich Alice denn endlich kennenlernen?“
Erleichtert, wie positiv seine Kinder die große Neuigkeit aufgenommen hatten, grinste Hugh breit. „Schneller als ihr denkt. Sie kommt nachher zum Tee.“
Spät am Abend brachte Paul Emily zum Bahnhof. „Ich war wie vom Donner gerührt, als Dad von sich und Alice erzählte“, gestand er. „Hättest du mit so etwas gerechnet?“
„Ich bin froh, wie sich die Dinge entwickelt haben, und Alice ist eine tolle Frau. Mum würde bestimmt genauso denken und sich für Dad freuen.“
Paul schwieg einen Moment. „Dad hat mir die Augen geöffnet. Er ist mit den neuen Verhältnissen besser fertig geworden als ich. In meinem Leben hat sich seit Mums Tod nichts mehr getan, ich habe auf der Stelle getreten. Dads Beispiel hat mir Mut gemacht, auch ich werde jetzt zu neuen Ufern aufbrechen.“
Emily blieb abrupt stehen. „Was hast du vor? Eigentlich ist mein Bedarf an sensationellen Neuigkeiten für heute gedeckt.“
„Keine Angst, so dramatisch ist es nicht. Meine Firma hat mir ein Freijahr angeboten, und ich hätte endlich die Chance, mir Australien und Neuseeland
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