Julia Extra Band 0326
Fenster. Eher würde sie auf den Mond fliegen! Den Familiensitz der Bosellis zu betreten, kam für sie nicht infrage. Eine innere Stimme riet ihr dringend, die Beziehung zu Giovanni abzubrechen, solange ihr das noch möglich war.
Freitag entschied sich Emily, etwas besonders Leckeres zu kochen und sich mit Coral einen gemütlichen Abend zu machen. Durch Nicos Besuch und ihre erneute Dienstreise hatten sich die Freundinnen schon lange nicht mehr richtig aussprechen können.
Die beiden öffneten eine Flasche Rotwein, die sie gemeinsam in Rom gekauft hatten, aßen in aller Ruhe und setzten sich dann mit ihrem Kaffee an den kleinen Tisch am Wohnzimmerfenster.
„Hat sich Nico noch einmal gemeldet?“, erkundigte sich Emily. „Ich hoffe, es hat ihm gefallen und er wusste zu schätzen, was du ihm in London alles geboten hast.“
Coral antwortete nicht gleich, sondern trank erst einmal langsam einen Schluck Kaffee. „Er hat zwar noch einige Male angerufen, aber ehrlich gesagt … Nico war nicht mehr als ein nettes Abenteuer … Er ist wirklich charmant, doch Beständigkeit scheint nicht gerade zu den starken Seiten eines Italieners zu gehören.“ Gedankenverloren blickte sie in ihre Tasse.
Das also war der Grund, weshalb Coral so abgespannt und niedergeschlagen wirkte! Mitfühlend drückte Emily ihr die Hand.
„So ist das eben mit einem Latin Lover“, tröstete sie. „Hitzig, wie er ist, sucht er ständig nach Abwechslung. Sich mit solch einem Typen einzulassen, würde ich mir nicht zwei, sondern drei Mal überlegen.“
Endlich blickte Coral auf. „Gilt das etwa auch für Giovanni? In Rom schien er nur Augen für dich zu haben, und dauernd ruft er dich an. Bestimmt habt ihr euch doch auch diesmal in Rom getroffen.“
Emily biss sich auf die Lippe. Eigentlich hatte sie sich fest vorgenommen, nichts von der Begegnung zu erzählen. Coral zu belügen, brachte sie jedoch nicht übers Herz.
„Ja, aber nur zufällig. Giovanni wusste gar nicht, dass ich in Rom war, ich hatte ihm die Reise verschwiegen.“
Dann erzählte sie Coral die ganze Geschichte von dem Unfall mit all seinen Folgen. „Mein schickes Sommerkleid kann ich wohl abschreiben“, schloss sie ihren Bericht. „Selbst wenn sich die Flecke entfernen lassen, wird es mich stets daran erinnern.“
Coral pfiff leise vor sich hin. „Unglaublich, Emily. Du scheinst diesen Mann magnetisch anzuziehen, er findet dich überall.“
„Mag sein, doch das wird ein Ende haben, denn ich will nichts mehr mit ihm zu tun haben. Ihm das deutlich zu machen, dürfte nicht allzu schwer sein, an Frauen, die ihn anhimmeln, fehlt es ihm gewiss nicht.“
„Da gebe ich dir recht, denn Giovanni sieht sogar noch besser aus als Nico.“ Coral lächelte bitter.
„Genau da liegt auch das Problem unserer beiden Casanovas, ihr umwerfendes Äußeres verleitet sie zu der Annahme, alle Frauen müssten ihnen zu Füßen liegen.“
Coral, deren Wangen stark gerötet waren, schob die Kaffeetasse beiseite, schenkte sich noch einmal Wein ein und erhob das Glas. „Auf uns, Emily, und unser unbeschwertes Singledasein.“
Emily stand auf, um frischen Kaffee zu machen, als ihr Handy klingelte. „Nimm das Gespräch bitte für mich an, Coral. Mein Handy liegt genau hinter dir auf dem Fensterbrett.“ Sie verschwand in die Küche, wohin ihr Coral kurz darauf folgte.
„Giovanni“, flüsterte sie und hielt das Mikrofon zu. „Soll ich sagen, du seist nicht hier?“
Emily zögerte nur kurz, dann schüttelte sie den Kopf und ließ sich ihr Handy geben. „Was für eine Überraschung, Giovanni“, meldete sie sich und schwieg dann eine ganze Weile.
„Okay, natürlich. Ja, ich bin das ganze Wochenende hier, die Uhrzeit spielt keine Rolle. Ich warte.“ Sie klappte das Handy zu.
Mit offenem Mund sah Coral ihre Freundin an. „Du willst ihn also treffen! Und das nach dem, was du gerade gesagt hast! Du bist diesem Mann verfallen, Emily, ob du es wahrhaben willst oder nicht.“
„Darüber können wir später streiten. Unter den gegebenen Umständen kann ich Giovanni unmöglich allein lassen.“
„Was ist passiert?“
„Giovanni landet morgen gegen Mittag in Heathrow. Sein Freund ist gestern plötzlich zusammengebrochen und schwebt in Lebensgefahr. Giovanni hat mich gebeten, ihn ins Krankenhaus zu begleiten. Ich konnte es einfach nicht ablehnen, er ist völlig am Boden zerstört. Es hat nichts mit Giovanni persönlich zu tun, für jeden meiner Freunde hätte ich dasselbe getan.“
9.
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