Julia Extra Band 0327
erwiderte Lucy so lässig, wie nur irgend möglich: „Verständlich, dass deine Arroganz dir manchmal das Hirn vernebelt. Vielleicht wirst du es erst begreifen, wenn ich gegangen bin. Ich werde dir gerne eine Kopie meines Kündigungsschreibens zukommen lassen. Bis dahin.“
Sie nickte Aristoteles knapp zu und wandte sich zum Gehen. Als sie schon an der Tür angekommen war, vernahm sie seine Stimme, leise, aber bedrohlich: „Wenn du jetzt gehst, Lucy Proctor, wirst du binnen einer Stunde von meinen Anwälten hören.“
Es kam Lucy vor, als wäre sie plötzlich und ohne Vorwarnung von einer hohen Klippe gestoßen worden und würde sich nun rasend schnell dem tosenden Meer unter sich nähern. In ihrer Magengrube machte sich ein äußerst unangenehmes Ziehen breit.
„Von was bitte sprichst du?“, entgegnete sie so lässig wie möglich. Doch in diesem Moment erinnerte sie sich daran, dass sie zusammen mit ihrem Arbeitsvertrag noch ein anderes Schreiben unterzeichnet hatte. Einen Vertrag, der sie zu Stillschweigen verpflichtete – und der sie an bestimmte Kündigungsfristen band.
„Nun, zunächst einmal gilt eine Kündigungsfrist von vier Wochen“, entgegnete Aristoteles. „Und du hast dich mit deiner Unterschrift einverstanden erklärt, so lange als meine Assistentin tätig zu sein, bis die Fusion über die Bühne gegangen ist. Schon vergessen?“
Lucy schwankte.
Aristoteles hingegen lehnte sich wieder in seinem Sessel zurück. „In einer Woche werden wir beide nach Athen fliegen. Du bist die Einzige, die mit den entsprechenden Interna vertraut ist. Du bist bei allen Vorverhandlungen dabei gewesen. Du kannst mich unmöglich ohne Sekretärin zu den wichtigsten Verhandlungen in der Firmengeschichte aufbrechen lassen. Deshalb werde ich alles in meiner Macht stehende tun, um dich zumindest für die nächsten Wochen als Mitarbeiterin zu behalten. Und zur Not muss ich rechtliche Schritte unternehmen.“
Lucy wusste nicht, wie sie eigentlich noch dazu in der Lage sein konnte, auf beiden Beinen zu stehen. Am liebsten hätte sie sich einfach fallen gelassen, wäre in sich zusammengesunken und nie wieder aufgestanden. Sie hatte all das gewusst, was ihr Chef ihr gerade erklärt hatte, sie hatte es gewusst ! Irgendwie musste sie die Fakten aber verdrängt haben, und nun wurde ihr auf so peinliche Weise von Aristoteles klargemacht, worauf sie sich eingelassen hatte.
Dabei war sie doch nun mehr denn je auf das Geld angewiesen, das ihr neuer Job ihr einbrachte! Wie sollte es denn nur mit ihrer Mutter weitergehen, wenn sie kündigte? Aber was blieb ihr anderes übrig? Auf keinen Fall konnte sie weiter unter diesen Bedingungen für Aristoteles arbeiten!
Mit tonloser Stimme wandte sie sich an ihn. „Das würdest du tun …“ Es war keine Frage.
„Ja, das würde ich. Die Fusion und das Unternehmen – das ist mein Lebensinhalt!“ Aristoteles atmete tief ein. „Lucy, versteh mich doch. Ich möchte nicht skrupellos erscheinen, aber es bleibt mir in diesem Fall keine andere Wahl. Wenn du es ernst meinst mit der Kündigung, dann sehe ich mich gezwungen, rechtliche Schritte gegen dich einzuleiten. Ich möchte auf keinen Fall die Fusion gefährden, aber auf der anderen Seite möchte ich dich auch nicht verlieren …“
Lucy schüttelte langsam den Kopf. Sie hatte erwartet, dass jemand wie Aristoteles damit klarkäme, zurückgewiesen zu werden. Doch sie hatte sich geirrt. Er war es nicht gewohnt, dass man ihm einen Korb gab.
„Ich verstehe, dass ich nicht sofort gehen kann“, entgegnete sie betrübt, ohne ihn anzusehen. „Ich bleibe also, bis die Fusion abgeschlossen ist, und erst dann werde ich kündigen.“
Aristoteles erhob sich von seinem Schreibtischstuhl und kam auf Lucy zu. Er schien erleichtert zu sein. Als er knapp vor ihr stand, streckte er seinen Arm aus und umfasste ihr Kinn mit einer Hand. Vor Schreck blieb Lucy wie versteinert stehen.
„Du kannst sagen, was du willst, Lucy: Ich weiß , dass wir beide eines schönen Tages uns der Leidenschaft hingeben, dass wir beide eine heiße Affäre haben werden. Es liegt einfach auf der Hand. Gewöhne dich ruhig schon einmal an den Gedanken. Zwischen uns ist eine unglaubliche Spannung …“ Er warf ihr einen gefährlichen Blick zu. „Und ich werde dich nicht nur daran hindern, mein Unternehmen innerhalb der nächsten Wochen zu verlassen. Ich werde dich auch erst aus meinem Bett entlassen, nachdem du eine Weile dort zugebracht hast!“
Eine Woche später.
Lucy
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