Julia Extra Band 0327
war.“
Doch Javier fand nicht den geringsten Trost in diesen Worten.
Wenige Tage später händigte eine rotwangige Krankenschwester Emelia mit kritischem Blick die Entlassungspapiere aus. „Es wird dem Doktor gar nicht gefallen, dass Sie so früh gehen wollen. Ganz besonders, weil Ihr Ehemann Sie nicht begleitet. Können Sie denn nicht warten, bis er herkommt? Vielleicht steckt er ja im Verkehr fest? In einem der Tunnel gab es heute Morgen einen heftigen Unfall.“
Doch Emelia winkte dankend ab. „Ich bin seit vier Tagen hier, und mir reicht es, ständig umsorgt zu werden. Ich will kein Krankenhaus mehr von innen sehen, sondern endlich wieder mein normales, geregeltes Leben führen.“
„Aber Ihr Mann …“
„… wird es sicherlich verstehen, wenn er davon hört“, schloss Emelia beruhigend. „Richten Sie ihm einfach einen Abschiedsgruß von mir aus!“
Mit diesen Worten verließ sie das Gebäude und stieg unten in ein Taxi, das sie direkt zum Flughafen bringen sollte. Den Flug hatte sie mithilfe ihres neuen Handys gebucht. Eines von vielen teuren Geschenken, die ihr Javier in den letzten Tagen ans Krankenbett geschleppt hatte: Diamantohrringe, teures Parfum, eine Designeruhr …
Nichts davon konnte die unendliche Leere in ihrem Inneren füllen. Und es gab auch kein Zurück mehr zu dem nutzlosen Leben an Javiers Seite. Er konnte oder wollte nicht lieben, und für Emelia gab es keinen Grund mehr, darauf zu hoffen, dass sie ihm eines Tages wichtiger sein würde als bisher.
Aber der Gedanke an seinen Gesichtsausdruck, wenn er das leere Krankenzimmer vorfand, trieb ihr dennoch die Tränen in die Augen.
11. KAPITEL
Emelia hatte den ganzen Nachmittag am Strand verbracht. Der Weg zurück zum Ferienhaus ihres Vaters am Sunshine Beach in Queensland gehörte mittlerweile zu ihrem täglichen Bewegungsprogramm.
Es fühlte sich noch immer fremd und merkwürdig an, wieder mit dem alten Herrn zu sprechen, obwohl er sich meist nur am Wochenende in Queensland aufhielt.
Aber sein schlechter Gesundheitszustand hatte ihn milde gemacht, und er gab sich alle Mühe, seine Tochter für die trostlose Vergangenheit in ihrer gemeinsamen Beziehung zu entschädigen. Emelia durfte das Haus benutzen, solange sie wollte, und sie genoss die ungewohnte Aufmerksamkeit ihres Vaters in vollen Zügen.
Selbst mit seiner aktuellen jungen Gattin hatte Emelia so etwas wie einen zerbrechlichen Frieden geschlossen. Die arme Frau schien den alten Mann trotz all seiner Fehler und Macken zu lieben. In vielerlei Hinsicht erinnerte Krystal Emelia sogar an sich selbst, als sie sich blindlings auf Javier eingelassen hatte.
Krystal war ein bisschen naiv und ließ sich von der Glitzerwelt beeindrucken, die Emelias Vater ihr bieten konnte. Sie tat alles, um dem alten Herrn zu gefallen und es ihm recht zu machen. Es quälte Emelia, diese Aufopferung zu beobachten und darin ihr eigenes Verhaltensmuster zu erkennen.
Mit ihrem Vater war sie oftmals nicht einer Meinung, und ein Thema, bei dem sie grundsätzlich die Schwerter kreuzten, war Javier. Ihr Vater fand, sie hätte nicht abfliegen dürfen, ohne vorher mit ihrem Mann zu reden. Michael Shelverton fand es feige von seiner Tochter, Javier sang- und klanglos die Scheidungspapiere zuzuschicken. Er fand, sie müsse ihren Mann zumindest vorher anhören.
Doch Emelia stand voll und ganz zu ihrer Entscheidung. Sie wollte einen klaren Schnitt, damit ihre emotionalen Wunden heilen konnten. Aber selbst nach einem Monat kam sie abends nicht zur Ruhe, obwohl ihre Tage aus Wandern, Schwimmen und viel frischer Luft bestanden.
Sie hatte ihre Spuren so gut es ging verwischt, damit Javier ihr nicht nachreisen konnte. Ihre Post wurde auf ein Postfach ihres Vaters umgeleitet, und sie trug auch wieder ihren Mädchennamen.
Obwohl sie sich Mühe gab, nicht ständig an ihn zu denken, gelang es Emelia jetzt nicht, ihren Mann vollständig aus ihrer Erinnerung zu streichen. Was für eine Ironie! Ihr Körper sehnte sich schmerzhaft nach ihm, und manchmal streckte sie im Halbschlaf die Hand nach der leeren Seite im Bett aus – in der vagen Hoffnung, seine warme Haut berühren zu können …
Emelia lief, den Schlüssel in der Hand, den Weg zur Vordertür hinauf und blieb wie erstarrt stehen, als sie die dunkle Gestalt bemerkte, die sich von der schmiedeeisernen Verandabank erhob.
„Hallo, Emelia.“
Mit ausdrucksloser Miene ging sie an Javier vorbei und schloss auf. „Du verschwindest besser, bevor ich die Polizei
Weitere Kostenlose Bücher