Julia Extra Band 0330
wieder lieben könnte. Aber hier stand sie vor dem überwältigendsten Sonnenuntergang ihres Lebens neben einem Mann, der alle ihre festen Vorstellungen über den Haufen geworfen hatte.
Allerdings war sie nicht sicher, ob er dasselbe fühlte, und ob sie dem zärtlichen Ausdruck in seinen Augen trauen konnte. Doch war das wichtig? In diesem Moment war er bei ihr, nur das zählte. Wer wusste schon, wie lange die Liebe dauerte? Niemand wusste besser als sie, wie vergänglich das Glück sein konnte. Man musste sich seinen Gefühlen hingeben, das Leben ausschöpfen, wie Sam immer gesagt hatte. Ohne Angst vor Enttäuschung sein Herz öffnen.
Mark beugte sich zu ihr und flüsterte ihr ins Ohr: „Pass auf.“
Vor lauter Grübeleien hatte sie nur halb mitbekommen, dass die Sonne schon beinahe im Meer versunken war. Warum fiel es ihr bloß so schwer, in der Gegenwart zu leben? Ständig ließ sie sich von Erinnerungen oder Gedanken an die Zukunft ablenken.
So, jetzt würde sie sich voll auf die Sonne konzentrieren, um nur ja den Moment nicht zu verpassen, den sie für immer in Erinnerung behalten wollte.
Und dann geschah es.
Gerade als der letzte orangerote Streifen im Meer versunken war, blitzte ein smaragdgrüner Strahl über dem Wasser auf. Ellie stand wie erstarrt und merkte, dass auch Mark neben ihr den Atem anhielt.
Nachdem das grüne Glitzern verschwunden war, drehten sie sich einander zu und sahen sich in die Augen. Und dann beugte Mark sich zu Ellie und küsste sie.
Später am Abend ging Ellie noch einmal auf ihre Terrasse und blickte in den wunderbaren Sternenhimmel. Aus Marks Blockhütte fiel ein schwaches Licht auf die Bäume, die sich im Wind wiegten.
Es war ein zauberhafter Abend gewesen, der mit dem Kuss nach dem grünen Leuchten begonnen hatte.
Nach dem Sonnenuntergang war es bald dunkel geworden. Sie waren in den Innenhof zurückgegangen und hatten weitergetanzt. Zwischendurch aßen sie gegrillte Spieße mit den Fingern. Und die ganze Zeit konnten sie nicht aufhören, sich anzulächeln.
Sie redeten kaum, denn keiner von ihnen wollte den Zauber, der sie umfing, zerstören.
Tief in ihrem Innern spürte Ellie, dass sie füreinander bestimmt waren. So wie sie damals am ersten Schultag instinktiv gewusst hatte, dass sie und Sam ihr Leben miteinander verbringen würden.
Die folgenden Tage waren für Ellie fast nicht zu ertragen, so schön war es. All die Jahre hatte sie derart mit Schuldgefühlen und Trauer beladen verbracht, dass sie sich erst daran gewöhnen musste, wieder glücklich zu sein. Auf dieser paradiesischen Insel mit diesem wunderbaren Mann zu sein, kam ihr beinahe unwirklich vor.
Und wenn schon. Sie wollte diesen Traum leben und jeden Moment mit Mark auskosten. Sie aßen in den ungewöhnlichsten Lokalen, von der Bretterbude am Strand bis zum exklusiven Restaurant. Sie fuhren mit dem Segelboot aufs Meer und spazierten an endlosen Stränden entlang. Manchmal stürzten sie sich ins Nachtleben von St. John’s, dann saßen sie wieder an einem einsamen Ort und betrachteten den Sonnenuntergang. Das grüne Leuchten hatten sie nicht noch einmal gesehen, aber das kümmerte Ellie wenig.
Mark war so fürsorglich und einfühlsam, er ging auf jede ihrer Stimmungen ein, las ihr förmlich die Wünsche von den Augen ab. Er spürte, wann sie im Arm gehalten werden wollte, und wann sie ihren Freiraum brauchte.
Auch er hatte sich verändert, er kam ihr wie befreit vor, als hätte auch er das wirkliche Leben wiederentdeckt. Mit dem grinsenden Playboy, den sie zu Anfang auf dem Bildschirm gesehen hatte, hatte dieser Mark nichts mehr gemein.
Sie liebte ihn so sehr.
Ein wenig ängstlich dachte sie an den bevorstehenden Jahrestag des Unfalls am kommenden Freitag. Wenn sie den überstanden hatte, wäre eine Last von ihr genommen. Sie stellte sich vor, dass sie dann am Samstag neben Mark im Flugzeug sitzen und auf die Insel herunterblicken würde. Und dann, wenn alle Häuser und Autos nur noch wie Spielzeug aussahen, würde sie endlich in der Lage sein, ein für alle Mal ihr eingeschränktes Leben aufzugeben und ihr Herz wieder zu öffnen.
10. KAPITEL
Mark entdeckte Ellie, wie sie am Strand entlanglief und gedankenverloren die Wellen wegkickte. Sie sah aus wie ein verlorenes Kind an einem verlassenen Strand.
In der Nacht hatte es Sturm gegeben, und er war früh aufgewacht und nicht mehr eingeschlafen. Während er wach im Bett lag, lauschte er auf das Knarren des Holzes in der Blockhütte, auf den Regen, der
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