Julia Extra Band 0330
seinen Becher auf eine Mauer und hielt ihr die Hand hin.
Ellie schüttelte den Kopf. „Ich bin eine ganz schlechte Tänzerin.“
„Das ist doch hier ganz egal“, erwiderte Mark und wies mit dem Kopf auf einige besonders verrückt tanzende Leute. „So gut wie die kannst du das allemal.“
Lachend stellte sie ihren Becher ebenfalls auf die Mauer. „Gegen dich komme ich sowieso nicht an“, sagte sie und ließ sich von Mark auf den gestampften Lehmboden führen, der als Tanzfläche diente.
Ellie merkte, wie viel Spaß ihr diese Art zu tanzen machte. Es gab keine Regeln, keine Schritte, die man koordinieren musste. Sie bewegte einfach ihren Körper, so wie es ihr gefiel. Mark ließ Ellie an seiner Hand Drehungen vollführen, und bei einer besonders schnellen Drehung kam sie aus dem Gleichgewicht und fiel lachend gegen ihn. Er hielt sie fest und tanzte mit ihr von der Tanzfläche weg näher zur Mauer hin.
Mit der Hand deutete er auf den Horizont. „Ist das nicht schön?“, fragte er, und Ellie konnte nur stumm nicken, denn einen so atemberaubenden Sonnenuntergang hatte sie noch nie im Leben gesehen. Alles – die umliegenden Hügel, das Meer, der Strand und die Felsenküste – war in sanfte, warme Farben getaucht. Einen schöneren Ort gab es bestimmt nirgendwo auf der Welt.
Ellie legte die Hände auf die Mauer. Vor Staunen merkte sie erst gar nicht, dass Mark direkt hinter ihr stand. Sie spürte seine warme Brust am Rücken, und ein Glücksgefühl durchströmte sie.
Neben ihr tauchte plötzlich eine junge, rothaarige Frau mit einer Kamera in der Hand auf. „Können Sie vielleicht ein Foto von uns machen?“, fragte die junge Frau und legte den Arm um den schlaksigen Typen, der in Shorts und bedrucktem T-Shirt neben ihr stand.
„Gern“, sagte Ellie lächelnd.
Die junge Frau reichte ihr die Kamera, dann schmiegte sie sich an ihren Freund, der sie verliebt ansah. „Wir sind in den Flitterwochen“, erklärte sie.
„Herzlichen Glückwunsch“, sagte Mark hinter Ellie, und dabei streifte sein warmer Atem erregend ihren Nacken.
Ellie hob die Kamera und fotografierte das verliebte Paar.
„Sie haben wohl dieselbe Idee gehabt wie wir“, plapperte die junge Frau weiter. „Wir wollten früh genug hier sein, um noch den Sonnenuntergang zu sehen. Es ist unser letzter Abend, und wir sind jeden Abend hierhergekommen. Vielleicht sehen wir heute das grüne Leuchten. Das sieht man sehr selten. In dem Moment, wo die Sonne im Meer untergeht, blitzt es manchmal grün auf.“
Ihr schlaksiger Ehemann nickte. „Die atmosphärischen Bedingungen müssen stimmen. Das hat was mit der Lichtbrechung zu tun und …“
Die junge Frau legte ihm die Hand auf den Arm. „Ich glaube, wir langweilen die beiden, Liebling.“
Ellie konnte förmlich spüren, wie Mark hinter ihr lächelte. Obwohl, wie spürte man so etwas, wenn nur die Oberkörper in Kontakt waren?
„Jedenfalls geht es uns nicht um die Physik, nicht wahr, Anton?“ Die junge Frau lächelte ihren Mann an.
Anton schüttelte den Kopf und sagte mit geheimnisvollem Raunen in der Stimme: „Man sagt, dass Paare, die gemeinsam das grüne Leuchten sehen, für immer zusammenbleiben.“
Wie aus dem Nichts überfiel Ellie plötzlich eine unbeschreibliche Traurigkeit. Irgendwann waren sie und Sam auch ein solches Paar gewesen wie diese beiden, überzeugt, dass eine lange und glückliche Zukunft vor ihnen lag.
Am liebsten hätte sie die beiden jungen Leute in den Arm genommen und ihnen zugeflüstert, dass sie ihr Glück niemals als selbstverständlich nehmen dürften und jede Sekunde ihres Zusammenseins genießen sollten.
Doch sie lächelte den beiden nur mit Tränen in den Augen zu und sagte: „Dann wünsche ich Ihnen, dass Sie es sehen.“
Die jungen Leute bedankten sich und wandten sich dann der untergehenden Sonne zu, die soeben den Meereshorizont berührte. Inzwischen waren immer mehr Leute an die Mauer getreten.
Mark nahm Ellie am Arm und führte sie ein wenig abseits, wo es ruhiger war. Ellie war ihm dankbar dafür, denn hier konnte sie ihren Gefühlen, die sie zu überwältigen drohten, ungestört von fremden Blicken nachgeben. Während sie auf die untergehende Sonne blickte, rieb sie das Medaillon zwischen Daumen und Zeigefinger.
Mark stand neben ihr und hielt ihre freie Hand in seiner.
Ellie wagte nicht zu atmen, während die orangerote Scheibe sich langsam ins Meer senkte. Noch vor ein paar Monaten hätte sie es nie für möglich gehalten, dass sie jemals
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