Julia Extra Band 0330
dir ein Hochzeitskleid aussuchen kannst“, versprach er.
7. KAPITEL
„Möchtest du Freunde oder Familie aus England zur Feier einladen?“, erkundigte Raul sich eines Abends beim Essen.
Seit seine Tante aus der Villa abgereist war, nahmen sie alle Mahlzeiten auf der Terrasse und nicht mehr im formellen Esszimmer ein. Kerzen beleuchteten den gedeckten Tisch, und in der Ferne glitzerte dunkel und geheimnisvoll das Wasser des Sees.
Raul war längst nicht mehr der kühle, arrogante Fremde, sondern ein angenehmer und aufmerksamer Gesprächspartner, mit dem Libby ausgesprochen gern Zeit verbrachte. Sie freute sich auf jeden Abend, den sie gemeinsam verbringen konnten.
Zu ihrer großen Erleichterung hatte Raul nie wieder eine Bemerkung zu ihrer angeblichen Affäre mit Pietro gemacht. Er schien dieses Thema ganz bewusst auszuklammern und ermutigte sie dagegen häufig, von ihrer Kindheit auf Ibiza zu berichten. Und jetzt wollte er die Gästeliste mit ihr besprechen …
Libby hatte zum Horizont gesehen und musste den Blick von dem goldbunten Farbenspiel auf der Wasseroberfläche losreißen, bevor sie antwortete. „Ich habe den Kontakt zu den meisten meiner Freunde abgebrochen, als ich von London nach Cornwall gezogen bin“, gab sie zu. „Meine beste Freundin Alice würde sicher gern kommen wollen, aber sie ist in einen wichtigen Fall verwickelt und kann nicht weg.“
Überrascht stellte Raul fest, dass sie kein Wort über ihre Mutter verlor. Aber er sah davon ab, sie direkt nach ihr zu fragen. Ihm war inzwischen klar, wie unkonventionell Libbys Kindheit verlaufen war. Immerhin hatte sie in einer Künstlerkommune gelebt, und er persönlich hielt ihre leibliche Mutter für eine höchst unverantwortliche Person. Vielleicht hatte Libby sich auch darum von ihr abgewandt. Aber das alles ging ihn wirklich nichts an!
Libbys nächster Kommentar schien seine Vermutung zu bestätigen. „Auf meiner Gästeliste stehen also nur Gino und ich“, verkündete sie übertrieben fröhlich. „Ich hoffe, du hast nicht Hundertschaften von Verwandten, sonst würde ich mich in der Unterzahl höchst unwohl fühlen.“
Trotz Libbys aufgesetzter guter Stimmung erahnte Raul dahinter das Ausmaß ihrer Einsamkeit, und diese Erkenntnis ging ihm zu Herzen. Sie mochte ihm das tapfere Mädchen vorspielen, aber hinter dieser Fassade war sie sehr verletzlich. Vielleicht hatte sie sich damals auch auf den so viel älteren Pietro eingelassen, weil sie hoffte, von ihm endlich die Sicherheit zu bekommen, die ihr während ihrer Kindheit versagt geblieben war? Dieser Gedanke rührte Raul zutiefst, ob er wollte oder nicht.
Inzwischen wusste er auch, dass sie – anders als anfangs vermutet – keinerlei finanzielles Interesse an seiner Familie hatte. Sogar über das Hochzeitskleid hatten sie ernsthaft gestritten, weil Libby es als pure Geldverschwendung betrachtete, sich für einen einzigen Tag ein teures Kleid zu kaufen oder sogar anfertigen zu lassen. Schließlich entschied sie sich zähneknirschend für ein Kleid, das nur den Bruchteil dessen kostete, was der Designer für die Robe seiner ersten Braut verlangt hatte.
„Wenn du keine weitere Familie hast“, fragte Raul, „wen hast du dann für Gino als Taufpaten bestimmt?“
Erschrocken sah sie ihn an. „Niemanden. Ich meine, ich bin doch erst zweiundzwanzig und vollkommen gesund …“
„So weit, so gut. Aber nichts im Leben ist wirklich sicher. Ich nehme doch stark an, du hast für Ginos Zukunft vorgesorgt?“
Auf diesen Gedanken war sie bisher noch gar nicht gekommen, das musste Libby leider kleinlaut zugeben. Und das war vollkommen unverzeihlich, da die mangelnde Vorsorge ihrer Mutter sie doch erst in diese missliche Lage gebracht hatte! Außerdem hatte Raul recht: Im Leben gab es für nichts, aber auch gar nichts eine Garantie.
Was geschieht, wenn ich bei einem Unfall ums Leben komme? überlegte sie und spürte sofort einen unerträglich schalen Geschmack im Mund. Gino wäre dann ganz allein und würde der Fürsorge des Jugendamts unterstellt werden.
Die Vorstellung war entsetzlich, aber zum Glück würde sie ja Raul heiraten, der den Jungen offiziell adoptieren wollte. Danach war Ginos Zukunft ein für alle Mal gesichert.
An diesen Gedanken klammerte Libby sich auch ein paar Tage später, als sie in ihrem schlichten, aber dennoch hinreißenden Hochzeitskleid die große Treppe der Villa hinunterschritt, um mit ihrem zukünftigen Mann zum Standesamt zu fahren.
Gerade als Raul ihre
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