Julia Extra Band 0330
sich vor.
Die vergangenen vier Jahre hatten ihr gezeigt, wie hart und rücksichtslos die Welt sein konnte, wenn man sich zu sehr hinter Sensibilität und Moral versteckte. Ihr blieb nichts anderes übrig, als sich mit größtmöglicher Entschlossenheit durchzusetzen, sonst würde sie früher oder später untergehen.
Aber Nikos hatte recht. Konnte sie am Ende des Abends noch in den Spiegel schauen?
Am Konferenztisch seiner Firma fiel es Nikos an diesem Tag unendlich schwer, den Gesprächen seiner Mitarbeiter zu folgen. Vor zwei Jahren war sein Vater in den Ruhestand gegangen, und Nikos tat alles, um dem Vertrauen, das in ihn gesetzt wurde, gerecht zu werden.
Nachdem Julie sich wieder in seinem Verstand eingenistet hatte, war das heute allerdings unmöglich. Das Bild, wie sie erbärmlich frierend und zitternd im Taxi gesessen hatte, ließ ihn nicht mehr los. Andererseits war es doch wohl kaum sein Problem, wenn sie sich den leichtesten Weg zu schnellem Geld gesucht und sich dabei in Schwierigkeiten gebracht hatte!
Wollte Julie etwa weiterhin ihre Gesellschaft an schmierige Typen wie Cosmo Dimistris verkaufen? Irgendwann gefiel es einem Klienten mal nicht, wenn Julie sich weigerte, ihm einen Extraservice zu bieten, und dann schwebte sie in ernsthafter Gefahr.
Dieses unvernünftige Luder! Im Stillen fluchte Nikos vor sich hin, während er sich aus seinem Drehstuhl stemmte.
„Meine Herren, ich entschuldige mich. Bitte führen Sie die Besprechung ohne mich weiter!“
Er nickte seinem Team zu und verließ den Raum, um zu telefonieren.
„Ich sehe eben nach, ob wir das Paar in Ihrer Größe haben, Madam.“ Julie hielt den Klang ihrer Stimme gleichbleibend höflich, obwohl die Kundin ihr nicht einmal mit einem Minimum an Respekt begegnete. Schließlich konnte Julie es sich nicht leisten, ihren Arbeitsplatz zu riskieren.
Deshalb zögerte sie auch kurz und zog dann nur ganz unauffällig ihr Mobiltelefon aus der Tasche, um zu überprüfen, ob sie eine Nachricht bekommen hatte. Und tatsächlich! Die Agentur wies ihr einen neuen Auftrag zu. Für Julie stand fest, dass sie dem Gedanken des Elite-Escorts noch eine Chance geben wollte – auch wenn ihr inzwischen klar war, was jetzt auf sie zukommen konnte.
Aber vielleicht war ihr Klient heute Abend nicht so schmierig wie Cosmo Dimistris, sondern ein echter Gentleman, der lediglich ein paar niveauvolle Stunden in Begleitung verbringen wollte.
Eilig suchte sie den passenden Schuhkarton aus dem Lager heraus und brachte ihn der Kundin. Julies Magen rebellierte, doch sie ignorierte das hartnäckige Hungergefühl. Mittagessen gab es schon lange nicht mehr für sie, reine Geldverschwendung. Jeder Penny, den Julie erübrigen konnte, wurde gespart. Ihre Designerkleider waren längst verkauft, und auch alles andere, was Julies Leben einmal komfortabel gemacht hatte.
Sie schluckte ihre Bitterkeit hinunter und nahm sich vor, nicht länger der Vergangenheit hinterherzutrauern.
Nikos saß an der Bar des West End Hotels , obwohl er in einem Etablissement wie diesem noch niemals genächtigt hatte. Seine Miene war grimmig, schon seit dem Zeitpunkt, als er sich von Cosmo die Agenturnummer besorgen musste. Dieser windige Hund hatte kein gutes Haar an Julie gelassen.
Als der Grund seiner schlaflosen Nächte sich ihm näherte, wurde Nikos’ Blick noch finsterer. Sie trug dasselbe Outfit wie am Abend zuvor und präsentierte ihre Vorzüge schamlos der ganzen Welt.
Fassungslos starrte Julie ihn an und konnte offensichtlich kaum glauben, mit wem sie da verabredet war. Dann hetzte ihr Blick hektisch umher und kehrte sogleich zu Nikos zurück. Nein, es gab keinen Zweifel. Er war ihr Klient. Was für ein Hohn!
Energisch verschloss sie sich ihren Gefühlen. Diesen Selbstschutzmechanismus hatte sie in den vergangenen Jahren zumindest perfektionieren können. „Was soll das, Nikos?“, fragte sie kalt.
Gelassen hob er eine Augenbraue. „Setz dich, Julie! Ich habe dich über deine Agentur gebucht, also fang bitte an, dir dein Geld zu verdienen!“
Wütend und gedemütigt biss sie die Zähne zusammen, bis ihre Lippen fast weiß waren. Dann bewegte sie sich auf unsicheren Beinen vorwärts und setzte sich neben den Mann, dem es selbst in diesem unangenehmen Moment gelang, ihr Blut in Wallung zu bringen! Nein, nein, nein! Diese ganze Situation war unhaltbar!
Doch bevor sie ihre Zweifel zum Ausdruck bringen konnte, fuhr Nikos unbeirrt fort: „Ich will deine Dienste nur aus einem einzigen Grund
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