Julia Extra Band 0330
auch keine Holland-Park- Prinzessin mehr! Aber die Gegend, in der er sich mittlerweile befand, konnte man nur als asozial und heruntergekommen bezeichnen.
Dann erblickte er Julie, die den Bürgersteig entlangging. Telefonisch hatte ihn sein Sicherheitschef noch vor wenigen Minuten informiert, dass sie sich auf dem Weg zu der für sie eingetragenen Wohnadresse befand. In diesem Teil der Stadt!
Nikos’ Ärger legte sich etwas, als er bemerkte, wie niedergeschlagen und erschöpft Julie wirkte. Doch dann flammte die Wut wieder auf, weil der Augenblick der Konfrontation nun endlich direkt vor ihm lag.
„Halten Sie den Wagen an!“
Der Chauffeur fuhr an den Straßenrand, Nikos stieg aus und ging von hinten mit schnellen Schritten auf Julie zu. Sie reagierte erst, als er ihr eine Hand auf die Schulter legte und sie mitten im Lauf zu sich herumwirbelte.
Mit einem entrüsteten Schrei auf den Lippen versuchte sie, das Gleichgewicht zu halten, und wurde kreideweiß im Gesicht, als sie sah, wer ihr die Hand auf die Schulter gelegt hatte.
„Nikos“, flüsterte sie, und die Röte kehrte in ihre Wangen zurück.
„Ja, Nikos!“, äffte er sie nach. „Und jetzt verrätst du mir auf der Stelle, was du hier eigentlich im Schilde führst!“
Sprachlos und mit einem starren Gesichtsausdruck erwiderte sie seinen Blick. Schlagartig wurde ihm klar, dass Julie ihm vermutlich gar keine Antwort geben konnte. Genauso verstört und verschlossen hatte sie ausgesehen, als er sie durchnässt von der Straße auflesen und nach Hause bringen lassen musste. Unentschlossen sah Nikos sich um.
„Ist das dein Ernst?“, wollte er wissen. „Du wohnst tatsächlich hier?“
Mit einer verlegenen Geste zeigte Julie auf ein Haus, das von außen mit Graffiti besprüht war. Die Farbe blätterte von Türen und Fenstern ab, und die Klappe vom Briefkasten war herausgerissen worden.
Vor Entsetzen blieb Nikos der Mund offen stehen. Was ging hier eigentlich vor? Warum war Julie Granton so offensichtlich am Ende? Nun, auch darauf würde er eine Antwort bekommen!
Nikos wandte sich um und instruierte seinen Fahrer, um den Block zu fahren, bis er wieder gebraucht wurde. Anschließend führte er die zitternde Julie zu ihrer baufälligen Haustür und wartete, bis sie ihre Schlüssel aus der Tasche hervorgezogen hatte. Dabei atmete er unfreiwillig den Gestank von Müll und Urin ein.
Im Obergeschoss zeigte sie auf eine schmale Tür. Dahinter verbarg sich ein einzelnes kleines Zimmer, indem sich neben einem Bett und einem Schrank noch eine brüchige reduzierte Küchenzeile, bestehend aus einer Minispüle, zwei Herdplatten und einem Kühlschrank, befand. Der Fußboden war mit rissigem Linoleum abgedeckt, und die Vorhänge hatten ebenfalls ihre besten Tage lange hinter sich. Der einzig positive Eindruck in diesem Raum war die Sauberkeit und der Geruch nach Desinfektionsmittel.
„Hier lebst du.“ Das war weder eine Frage noch eine Feststellung. Vielleicht nur Ausdruck seiner Fassungslosigkeit …
Julie legte ihre Handtasche auf das Bett. „Ja.“
Äußerlich schien sie ruhig, aber Nikos kam ihr abwesendes Verhalten ausgesprochen merkwürdig vor. Er wartete einen Augenblick, bevor er wieder das Wort ergriff.
„Was genau geht hier vor?“ Er sog scharf den Atem ein. „Wie kannst du in diesem Loch hier hausen?“
Leicht verwundert blinzelte sie ein paar Mal. „Etwas anderes kann ich mir nicht leisten.“
Nikos murmelte etwas auf Griechisch, ehe er sie wieder fragend ansah. „Wieso nicht? Julie, dein Vater war Multimillionär! Selbst wenn er sein Unternehmen verloren hat, bringt ihn das doch nicht so weit runter. Man schafft Geld zur Seite, sichert sich privat vor geschäftlichen Pleiten ab. Das ist zwar meist kein Vermögen mehr, aber man endet nicht buchstäblich auf der Straße. Also, wie konnte es so weit mit dir kommen?“ Seine Augen wurden schmal. „Hast du dich etwa mit ihm überworfen? Akzeptiert er deinen Lebensstil nicht? Ist es das? Du arbeitest doch nicht schon länger im zwielichtigen Milieu, oder?“ Dann kam ihm ein neuer, unglaublicher Gedanke. „Nimmst du etwa Drogen, Julie?“
Wenn er sie so ansah, machte sie tatsächlich einen ziemlich schmalen, blassen Eindruck im Gegensatz zu früher. Erleichtert atmete er auf, als sie wortlos ihren Kopf schüttelte. Aber konnte er ihr so einfach glauben?
„Weiß dein Vater überhaupt, wo du wohnst?“
Diese letzte Frage schien sie endlich aus ihrer Erstarrung zu wecken, auch wenn ihre Augen
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