Julia Extra Band 0330
würde sie noch einmal diejenige sein, die verlassen wurde. Jetzt musste sie die Dinge selbst in die Hand nehmen.
Julie sackte förmlich in sich zusammen, und im Geiste entfernte sie sich von dem Mann an ihrer Seite, spürte seine Wärme nicht mehr.
Nun wusste sie, was sie zu tun hatte.
8. KAPITEL
„Sie wissen schon, dass eine Rezession herrscht?“
Die Stimme der Dame vom Jobcenter klang scharf und ungeduldig. Julie wusste, warum. Schließlich hatte sie einen perfekten Arbeitsplatz scheinbar grundlos aufgegeben – ein Ausflug aufs Land war wohl kaum eine überzeugende Entschuldigung – und wollte nun einen schnellen Ersatz dafür haben.
„Ich bin bereit, jede Anstellung anzunehmen“, versuchte Julie, die Frau zu beschwichtigen, denn sie war wirklich verzweifelt. Auch wenn Nikos’ Scheck ihr wertvolle Zeit schenkte, musste sie doch so bald wie möglich wieder ihr eigenes Geld verdienen.
Ich hätte nicht an diesen Scheck denken sollen, überlegte sie traurig. Oder an Nikos .
Sofort verschloss sich ihr Verstand wie ein massives Tor, das die Erinnerung hinter Schloss und Riegel hielt. Und es kostete Julie alle Kraft, die Türangeln am Bersten zu hindern …
Konzentriere dich, ermahnte sie sich streng. Denk nur an das, was jetzt vor dir liegt. Und die erste Amtshandlung ist ein neuer Job – um jeden Preis!
Die Dame vom Jobcenter blickte mit leicht hochgezogener Oberlippe auf ihren Computerbildschirm. „Da gibt es wirklich nur sehr wenig, das infrage kommt“, brummte sie, und ihr Missfallen war unüberhörbar. „Wenn Sie wenigstens tippen könnten, sähe das schon anders aus. Aber leider verfügen Sie nicht über nennenswerte Fähigkeiten.“
Auch das wusste Julie bereits seit vier bitteren Jahren. Keine nennenswerten Fähigkeiten und keine Zeit, sich derartige anzueignen. Sie hatte überhaupt keine Zeit, um etwas anderes zu tun, als rund um die Uhr zu arbeiten. Und das meistens zu einem minimalen Lohn.
Ergeben ließ sich die andere Frau in ihrem Schreibtischsessel zurückfallen. „Sie müssen morgen noch einmal wiederkommen. Vielleicht haben wir dann mehr anzubieten. Alles, was heute noch vermittelt werden kann, ist Gastronomieaushilfe an Bar oder Tresen. Und Sie haben mir gesagt, so etwas wollen Sie nicht machen.“
Nein, das wollte Julie auf keinen Fall. Diesbezüglich hatte sie ihre Lektion gelernt und legte keinen Wert darauf, sich der unausweichlichen sexuellen Belästigung noch einmal auszuliefern. Andererseits hatte sie im Grunde keine Wahl. Wenn es tatsächlich keinerlei Möglichkeiten gab, schnell an eine solide Anstellung zu kommen, musste Julie wohl in den sauren Apfel beißen. Außerdem arbeiteten schließlich unzählige andere Frauen hinter der Bar und lernten auch, sich gegen Übergriffe und anzügliche Gäste durchzusetzen.
„Was gibt es denn für Angebote in der Gastronomie?“
Zehn Minuten später stand Julie draußen auf der Straße, und das heiße, staubige London umfing sie wie ein erstickender Mantel. Nach den herrlichen Tagen auf dem Lande kam ihr der Kontrast unbeschreiblich stark vor. Aber das war wirklich nicht ihr größtes Problem. Im Vordergrund stand wie immer: Geld.
Selbst wenn Julie den Job bekam, für den sie sich schon heute Abend vorstellen sollte, war die Bezahlung mehr als mickrig. Der Stundenlohn lag weit unter Durchschnitt, und während sie im Kopf Summen addierte, wuchs ihre Existenzangst wie ein schmerzhaftes Geschwür.
Traurig ging sie den Bürgersteig entlang. Ihre Muskeln schmerzten noch von der weiten Strecke, die sie am Tag zuvor zu Fuß zurückgelegt hatte. Um fünf Uhr morgens war sie die lange Auffahrt des Hauses hinuntergelaufen und hatte dann den Weg an der Hauptstraße entlang zum Dorf eingeschlagen. Dort traf sie glücklicherweise jemanden, der ihr sagen konnte, wie sie am schnellsten zum Bahnhof kam. Allerdings hatten sie das Taxi dorthin und die Bahnfahrkarte ein Stange Geld gekostet.
Ihr kümmerliches Gepäck hatte Julie ebenfalls zurückgelassen und lediglich ihre Handtasche mitgenommen. Sie trug die gleichen Kleider wie am Vortag, weil sie Nikos möglicherweise geweckt hätte, wäre sie nicht eilig aus dem Schlafzimmer geschlichen. Zudem hätte sie auch ihr Mut verlassen können, und dann hätte Julie nicht mehr die Nerven gehabt, ohne ein Wort des Abschieds zu verschwinden.
Aber ich habe es getan, dachte sie, und nichts anderes zählt.
Zweifel bahnten sich ihren Weg, doch Julie verdrängte sie energisch. Sie musste weitermachen,
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