Julia Extra Band 0330
einfach weitermachen und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen. Dabei durfte sie nicht an das denken, was zwischen Nikos und ihr geschehen war. Denn wenn sie es tat … wenn sie es tat … dann …
Sich selbst zu gestatten, an Nikos zu denken, an das, was sie gefühlt hatte – Julie würde auf der Stelle zusammenbrechen. Sie würde sich hier und jetzt auf den Gehsteig fallen lassen und sich die Augen aus dem Kopf weinen, bis hin zur völligen Erschöpfung. Bis sie keine Kraft mehr hätte, überhaupt noch zu leiden.
Es war ein Traum, überlegte Julie, und genau so sollte ich es auch in Erinnerung behalten. Als hätte ich das alles nur geträumt. Mehr Bedeutung hat das Ganze nicht. Es ist so unerreichbar, als hätte ich es mir nur erträumt.
Mehrfach wiederholte sie dieses Mantra in ihrem Kopf, doch es fühlte sich an, als wüsste ihr Körper es besser. Er vermittelte Julie, dass diese außergewöhnliche, magische Nacht mit Nikos die wunderbare Realität gewesen war.
Und wenn Julie ehrlich zu sich selbst war, konnte sie sich an jeden einzelnen Kuss, jede Liebkosung durch seine Zunge und seine Lippen, an jedes geflüsterte Wort genau erinnern. Er hatte sie auf verschiedene Arten geliebt: langsam, hastig, sinnlich und gierig.
Entkräftet zwang Julie sich, weiter vorwärts zu stolpern. Was immer sie versuchte, sie bekam einfach ihren Kopf nicht frei. Ständig dröhnte das Echo von Nikos’ Namen und alles, was sie mit ihm erlebt hatte, durch ihr Bewusstsein. Und ihr gebrochenes Herz schmerzte fürchterlich in ihrer Brust.
Konnte ein Herz zweimal brechen?
Beim ersten Mal war die Trennung schrecklich genug gewesen, und nun trat Nikos ein zweites Mal in ihr Leben, und alles begann von vorn. Das war einfach brutal und unfair! Am liebsten hätte sie ihn niemals wiedergesehen. Und trotzdem …
Dann wäre ihr diese unbeschreibliche Nacht entgangen, die sie in dem alten, verfallenen Landhaus mit Nikos hatte erleben dürfen. War sie allein es nicht schon wert gewesen, sich erneut mit den Geistern der Vergangenheit anzulegen? Eine Erfahrung, die Herz und Seele reifen ließ, auch wenn sie unendlich wehtat.
Was immer Nikos für Gründe gehabt hatte, mit ihr ins Bett zu gehen, sie musste dem Schicksal dafür dankbar sein. Dieses Geschenk konnte sie aufbewahren und wertschätzen, solange sie lebte, ohne Scham, Trauer und Wut über eine Zurückweisung erfahren haben zu müssen. Denn schließlich hatte sie selbst den endgültigen Schlussstrich gezogen. Und das Wunder von Nikos’ Nähe, auch wenn sie nur eine Nacht dauerte, konnte ihr die Kraft geben, ihre Zukunft zu meistern. Daran wollte Julie festhalten.
Mit gesenktem Kopf ging sie weiter.
„Sir, wir haben sie gefunden.“
Augenblicklich schlossen sich Nikos’ Finger fester um sein Mobiltelefon. „Wo?“
Sein Sicherheitschef nannte ihm die Adresse, die Nikos wenig später ungeduldig an seinen Fahrer weitergab. Über seine Sekretärin ließ er alle seine Termine für den Tag absagen.
Endlich war seine Suche von Erfolg gekrönt. Unterschiedlichste Gefühle wallten in ihm auf, doch Nikos war es leid, sie zu analysieren. Anders als sonst handelte er im Moment nur instinktiv. Die vergangenen vierundzwanzig Stunden hatten ihn emotional schwer zermürbt – seit ihm klar geworden war, dass Julie ihn und Belledon verlassen hatte.
Es dauerte eine ganze Stunde, ehe er sicher war, dass sie nicht mit gebrochenem Genick irgendwo in diesem verfallenen Haus am Treppenabsatz lag oder durch marode Bodenbretter gebrochen war. Die Panik hatte Nikos fast verrückt gemacht, aber jetzt blieben nur noch Ärger und Unverständnis. Warum war sie gegangen?
Diese Frage machte ihn wahnsinnig, obwohl er mittlerweile aufgegeben hatte, selbst nach einer Antwort darauf zu suchen. Ihm fiel einfach kein triftiger Grund ein. Es war unerklärlich und ebenso unverzeihlich!
Seine Wut darüber, dass Julie ihn ein zweites Mal zum Idioten abgestempelt hatte, wuchs dafür von Minute zu Minute. Sein Magen fühlte sich wie ein festes Knäuel an, und sein Gesicht war vor Anspannung verzerrt. Er würde sie finden, und dann musste sie ihm Rede und Antwort stehen.
Zuerst versprach sie den Himmel, dann schickte sie Nikos geradewegs in die Hölle! Dafür war sie ihm zumindest eine Erklärung schuldig.
Die Fahrt dauerte länger, als Nikos vermutet hatte. Der Ort, an dem Julie sich aufhielt, lag weit entfernt von dem gehobenen Stadtviertel, in dem sich seine Büroräume befanden. Andererseits war Julie Granton
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