Julia Extra Band 0331
Anspannung. Nach außen aber wirkte sie ungerührt. „Das war eine Ausnahme.“ Lächelnd lehnte sie sich vor, sodass jeder Betrachter annehmen musste, sie suche seine Nähe. „Was hättest du denn in meiner Situation getan?“
Er beugte sich ebenfalls zu ihr hinüber. „Es durchgestanden. So, wie wir es den Rest unseres Lebens tun werden. Ich verstehe nicht, wie du einfach gehen konntest.“
„Du willst es nicht verstehen. Dein männlicher Stolz ist verletzt, und das ist das Einzige, was dich interessiert.“
„Wenn du nicht versuchst, es mir zu erklären, wirst du nie wissen, ob ich dich verstehe.“ Ernst sah er sie an, bis sie seinem Blick auswich.
Sie schluckte, ehe sie begann: „Es war schwierig, meinem Vater zu gefallen. Ich hatte immer das Gefühl, seinen Ansprüchen nicht zu genügen. Und dabei tat ich alles, was er erwartete.“
„Erzähl weiter“, ermunterte er sie, als sie stockte.
„Es ist nicht so spannend“, meinte sie lachend. „In all den Jahren habe ich mich nie gefragt, was ich wirklich will. Doch plötzlich, am Tag der Hochzeit, fühlte ich eine Falle zuschnappen. Für immer. Ich sah keinen anderen Ausweg als die Flucht.“
„Du hättest mit mir darüber reden können“, entgegnete er sanft.
„Mit einem Fremden? Einem Mann, der sich nicht einmal die Mühe gemacht hatte, mich kennenzulernen?“
Am liebsten hätte er ihre Hand gegriffen und ihr versichert, dass sie ihm trauen könne. Doch er widerstand der Versuchung. Woher wusste er, dass sie die Wahrheit sagte? Auch seine Mutter hatte immer hervorragend Theater gespielt und wie auf Knopfdruck die Tränen fließen lassen.
„Ich bin dein Ehemann“, sagte er deshalb nur hölzern. „Es ist meine Pflicht, dich zu beschützen.“
„Auch vor dir selbst?“, gab sie trocken zurück.
Er antwortete nicht. Doch als sie ihr Weinglas nahm, bemerkte er, dass sie zitterte. Die Art, wie sie das Glas an die Lippen setzte, war voller Sinnlichkeit. Während sie trank, beobachtete er jede ihrer Bewegungen und spürte, wie sehr er sie begehrte. Schon seit er sie in Nizza das erste Mal gesehen hatte, wollte er sie mit einer Heftigkeit, die ihm selbst fremd war.
„Du musst keine Angst vor mir haben“, beruhigte er sie. Doch noch während er sprach, wusste er, dass er log. Er wollte sie. Und er würde keine Rücksicht nehmen.
„Wie kommt es, dass ich dir nicht glauben kann?“, entgegnete sie und sprach damit, ohne es zu ahnen, seine Gedanken aus.
Schweigend beendeten sie ihr Abendessen. Bei jedem Atemzug war sich Gabrielle Lucs Nähe bewusst. Wenn seine Beine unter dem Tisch unbeabsichtigt ihre streiften, durchfuhr sie ein Schauer – wohlig, musste sie zugeben. Je länger sie dort saßen, umso mehr spürte sie, dass ihr Körper sich nach ihm verzehrte. Die kühle Seide ihres Spitzen-BHs umschmeichelte ihre Brüste, die laue Nachtluft streichelte ihre Haut. Eine Erregung erfasste sie, die sie kaum mehr ertragen konnte.
„Möchtest du noch einen Kaffee?“, erkundigte er sich freundlich. „Oder wollen wir nach Hause fahren?“
Entsetzt sah sie ihn an. Er erwartete doch wohl nicht …
„Du kannst mich bei Cassandra absetzen und in dein Hotel fahren“, stellte sie klar.
„Ich habe kein Hotelzimmer gebucht“, erklärte er ungerührt.
„Aber … es geht nicht …“
„Was geht nicht?“
„Du kannst nicht mitkommen.“
„Doch, selbstverständlich.“ Ruhig und ernst betrachtete er ihre ängstliche Miene. „Du bist meine Frau – mit allem, was dazugehört.“
„Du bist verrückt.“ Ihre Stimme war nur noch ein Flüstern.
„Mach dir nichts vor, Gabrielle“, sagte er leise und griff nach ihrer Hand.
Das Blut rauschte so laut in ihrem Kopf, dass ihr schwindlig wurde. Heiß breitete sich das Verlangen in ihr aus.
In seinen Augen glitzerte der Triumph. Er spürte, dass sie bereit für ihn war.
Als sie zum Wagen gingen, versuchte Gabrielle, ihre Fassung wiederzuerlangen. Sie durfte diesem Mann nicht nachgeben, sonst war sie verloren. Und doch wusste sie längst, dass sie diesen Kampf nicht mehr gewinnen konnte. Sobald er sie berührte, wollte sie ihm gehören. Was wäre geschehen, wenn ich in der Hochzeitsnacht nicht geflohen wäre? fragte sie sich. Doch sie schob den Gedanken sofort beiseite.
Es würde heute keine Hochzeitsnacht geben. Sie kannte diesen Mann kaum! Auch wenn er auf dem Papier ihr Ehemann war, würde er sie zu nichts zwingen können.
Innerlich war sie verzweifelt, doch nach außen spielte sie
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