Julia Extra Band 0331
ein Wahnsinniger angebrüllt, und einmal hat er mich so heftig gegen ein Regal gestoßen, dass ich eine Platzwunde am Kopf hatte …“ Sie verstummte und schüttelte langsam den Kopf, als könnte sie immer noch nicht fassen, dass er so weit gegangen war.
„Das ging wochenlang so.“ Jennys Tonfall war so unbeteiligt, als wäre das alles nicht ihr, sondern einer fremden Person passiert. „Als ich mich nach fast zwei Monaten immer noch weigerte, das Haus auf ihn überschreiben zu lassen, hat er seine Freundin überredet, einen Anwalt für ihn zu bezahlen, um seine Forderung vor Gericht durchzusetzen. Als sein schlitzohriger Rechtsverdreher dann bei der Verhandlung die widerlichsten Lügen über mich erzählte, konnte ich einfach nicht mehr weiterkämpfen …“ Sie musste mehrmals tief durchatmen, als die demütigendste Situation ihres Lebens ihr wieder vor Augen stand. Doch nachdem sie einmal angefangen hatte, wollte sie sich auch den Rest von der Seele reden.
„Schließlich haben wir uns auf einen Vergleich geeinigt“, fuhr sie mit monotoner Stimme fort. „Ich wusste, dass die Summe viel zu hoch war, aber ich wollte um jeden Preis verhindern, dass Tim alles, wofür mein Vater ein Leben lang gearbeitet hat, für einen Apfel und ein Ei verschleudert, um mit dem Geld seinen Selbstmord auf Raten zu finanzieren.“ Jenny lachte hart auf und strich sich mit einer müden Bewegung das Haar aus der Stirn. „Tja, und kurz darauf ist das Haus dann abgebrannt, und ich habe trotzdem alles verloren.“
In diesem Moment brach auf dem Bildschirm Lizzys Schwester in Freudentränen aus, weil Mr Bingley ihr gerade einen Heiratsantrag gemacht hatte. Rodrigo schaltete eilig den Fernseher ab, und eine bedrückende Stille erfüllte den Raum.
„Ich hatte ja keine Ahnung, dass du nach unserer Scheidung einer solchen Situation ausgesetzt warst“, sagte er, sobald er sich wieder einigermaßen gefasst hatte. „Wenn ich davon gewusst hätte, wäre ich …“
„Was, Rodrigo?“, schnitt Jenny ihm brüsk das Wort ab. „Wieder zu mir zurückgekommen? Ich glaube kaum. Ganz abgesehen davon kann ich meine Kämpfe ganz gut allein ausfechten.“
„Sicher“, pflichtete er ihr bei. „Du bist stark, das hast du bewiesen. Aber es geht mir trotzdem an die Nieren, dass du das alles ohne jede Unterstützung durchstehen musstest.“ Er setzte sich zu ihr auf die Couch, und einige Minuten saßen sie in seltsam einträchtigem Schweigen nebeneinander.
„Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, ob es noch Sinn hat, mit meinem Studio weiterzumachen“, bekannte Jenny schließlich leise. „Ich habe so hart dafür gearbeitet, und wofür? Was ich mir am meisten auf der Welt gewünscht habe, war eine Familie und ein schönes Zuhause, und jetzt stehe ich vor den Trümmern meines Lebens. Das mit uns hat nur ein Jahr gedauert, meine Eltern sind tot, und die Beziehung zu meinem Bruder ist ein für alle Mal zerstört. Ich hätte nie gedacht, dass es einmal so kommen würde.“
„Es wird nicht so bleiben, Jenny, glaub mir. Eines Tages wird sich alles zum Guten wenden, und dein Traum wird sich erfüllen.“
„Sagt dir das deine berühmte Intuition, Rodrigo?“
Die Mutlosigkeit in ihrer Stimme schnitt ihm ins Herz. Er hätte sie so gern davon überzeugt, dass das Leben noch viele Schätze für sie bereithielt. Dass sie jung und schön war, und dass sie früher oder später einem Mann begegnen würde, der sie auf Händen trug und ihr all das gab, wonach sie sich sehnte. Ihm war jedoch klar, dass er so ziemlich der Letzte war, von dem sie das hören wollte.
„Es ist kein Wunder, dass du krank geworden bist“, sagte er daher nur. „Du hast viel Schlimmes ertragen müssen, und es tut mir aufrichtig leid, was ich dir angetan habe.“
Jenny erwiderte traurig seinen Blick. „Das glaube ich dir. Aber du kannst genauso wenig gegen deine Natur angehen wie ich. Du bist in dem Glauben aufgewachsen, dass Arbeit das Wichtigste auf der Welt ist, und das tut mir leid, weil es bedeutet, dass du nie das Gefühl von Nähe und Geborgenheit kennenlernen wirst.“
Ein schmerzlicher Ausdruck huschte über Rodrigos ausdrucksvolle Züge. „Vielleicht verdiene ich das ja, querida .“
Einem spontanen Impuls folgend, beugte Jenny sich vor und drückte sanft seinen Arm. „Manchmal bist du zu hart mit dir selbst, weißt du das?“
Wie aus dem Nichts erfasste Rodrigo eine so heftige Welle von Sehnsucht und Verlangen, dass er nichts weiter tun konnte, als auf Jennys zarte Hand
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