Julia Extra Band 0331
hoffe nur, dass du dich nicht bei mir angesteckt hast.“
Rodrigo zuckte gleichmütig die breiten Schultern. „Was sind schon ein paar Tage Fieber gegen den Genuss deiner unwiderstehlichen Reize?“
„Gar nichts“, stimmte sie ihm übermütig zu. „Aber du vergisst, dass ich mich dann um dich kümmern müsste.“
„Wie lästig für dich.“
Unvermittelt wurde Jenny ernst. „Es wäre mir nicht lästig“, sagte sie leise. „Ganz im Gegenteil, ich würde jede Minute davon genießen.“
„Und du würdest es aus reiner Menschenliebe tun, ohne dir etwas davon zu versprechen?“
Eine steile Falte bildete sich zwischen ihren Brauen. „Ich habe keine Ahnung, wovon du redest, Rodrigo. Was sollte ich mir davon versprechen?“
Er erwiderte ruhig ihren verständnislosen Blick. „Vielleicht, dass du mehr von mir bekommst, als ich dir geben kann.“
8. KAPITEL
Eine bleischwere Stille senkte sich über den Raum.
Jennys Magen krampfte sich zu einer harten Kugel zusammen, als sie das Misstrauen, vermischt mit Schmerz und Bedauern, in den schönen Augen ihres Ex-Ehemanns sah. Jede Lust auf Kaffee war ihr vergangen. Sie stellte den Becher auf der Arbeitsplatte ab und biss sich fest auf die Lippen, um die aufsteigenden Tränen zurückzudrängen.
Als sie sich sicher war, dass sie nicht weinen würde, hob sie den Kopf und stellte sich erneut seinem Blick, der sie die ganze Zeit über nicht losgelassen hatte. „Wenn du krank wärst, würde ich dich nicht mit irgendwelchen Hintergedanken pflegen, sondern weil du mir etwas bedeutest“, teilte sie ihm mit. „Hast du damit auch ein Problem?“
Rodrigo schob sich mit beiden Händen das schwarze Haar aus der Stirn, bevor er sie in den Taschen seiner Cargohose vergrub. „Ich will nicht, dass ich dir etwas bedeute“, erwiderte er schroff. „Natürlich liegt mir daran, dass wir als Freunde auseinandergehen, aber …“ Er ließ den angefangenen Satz unbeendet und betrachtete mit sichtlichem Unbehagen die Spitzen seiner olivgrünen Sportschuhe.
„Was aber?“, drängte Jenny verärgert. Warum hatte er nicht wenigstens den Mumm, Klartext zu reden?
Er stieß einen langen Seufzer aus. „Im Grunde weißt du doch selbst, was Sache ist, Jenny. Du kennst die Verpflichtungen, denen ich unterworfen bin. Wenn man ein Leben führt, wie ich es tue, sollte man die Finger von festen Bindungen lassen. Ist unsere zerbrochene Ehe dir nicht Beweis genug, dass jeder weitere Versuch von vornherein zum Scheitern verurteilt ist?“
Jenny spürte die große Leere hinter seinen scheinbar rationalen Argumenten, und ihr Ärger wich einer tiefen Traurigkeit. „Du musst wirklich sehr schlimm verletzt worden sein, dass dir jeder Glaube an die Kraft der Liebe verloren gegangen ist.“
„Verschon mich bloß mit diesem pseudopsychologischen Gewäsch“, herrschte Rodrigo sie so heftig an, dass sie erschrocken zurückwich. „Nur, weil ich mich dafür entschieden habe, meine Zeit und Energie in meine Karriere statt in mein Privatleben zu investieren, bedeutet das nicht, dass ich ein Fall für den Therapeuten bin. Meine Zweifel, dass eine Beziehung die einzig selig machende Lebensform ist, scheinen mir eher realistisch als neurotisch zu sein. Sieh dich doch um. Wie viele Paare kennst du, die auf Dauer zusammenbleiben und dabei auch noch glücklich sind? Ich kenne jedenfalls keins, und genau deswegen ziehe ich es vor, mich auf etwas zu konzentrieren, das eine etwas höhere Erfolgsquote aufweist.“
„Und du glaubst wirklich, dass deine Arbeit dir jeden Traum vom Glück erfüllen kann?“
„Mir gibt sie im Moment jedenfalls genau das, was ich will.“
Jenny klopfte das Herz bis zum Hals, doch sie hielt tapfer seinem kalten Blick stand. „Als ich krank im Bett lag, habe ich über vieles nachgedacht“, sagte sie ruhig. „Und dabei ist mir klar geworden, dass, soweit es mich betrifft, die schönen Seiten unserer Ehe trotz allem überwogen haben. Ich hätte nie aufgehört, um unser Glück zu kämpfen, weil das Leben für mich bedeutungslos wäre, wenn es niemanden gäbe, mit dem ich es teilen kann.“
Rodrigo verzog ironisch die Lippen. „Mit anderen Worten, den du bemuttern könntest?“
Sie zuckte zusammen, als hätte er sie geschlagen. „Sich um Mann und Familie zu kümmern ist nichts, dessen man sich schämen müsste“, entgegnete sie mit bebender Stimme. „Also hör auf, es ins Lächerliche zu ziehen.“
„Schon gut, du hast ja recht.“ Seine Züge wurden unvermittelt weicher.
Weitere Kostenlose Bücher