Julia Extra Band 0332
seine Familienkrise bereinigt ist, sich sofort …“
„… aus dem Staub macht“, ergänzte May.
„Ja. Und wir können nur hoffen, dass er vorher die Trauungsurkunde unterschrieben hat.“
6. KAPITEL
Die Unterstellung machte May zunächst sprachlos.
„Robbie, du glaubst doch nicht …“, begann sie dann stockend.
„Dass er dich an der Nase herumführt? Warum nicht? Er hat keinen Grund, die Familie Coleridge zu lieben.“
Zumindest weiß er es nicht, dass er jeden Grund dazu hat, dachte May wehmütig und widmete sich konzentriert dem Baby, das zufrieden an der Flasche nuckelte.
Als diese leer war, empfahl Robbie ihr, die Kleine über die Schulter zu legen und ihr sanft auf den Rücken zu klopfen.
„Damit sie ein Bäuerchen machen kann“, erklärte die Haushälterin. „Aber leg dir vorher ein Handtuch unter! Oft genug kommt nicht nur Luft, sondern auch Milch hoch.“
Dankbar für den Hinweis tat May, was ihr empfohlen wurde. Zum Glück, denn die Kleine spuckte tatsächlich ein bisschen Milch.
„Kommst du mit dem Mittagessen allein klar, Robbie? Ich möchte mein Kinderbett vom Dachboden holen und sauber machen. Das ist doch für Nancie wie geschaffen.“
„Richtig, nur hast du es voriges Jahr dieser Familie gestiftet, deren Haus abgebrannt ist.“
„Verflixt! Das hatte ich ganz vergessen.“
„Aber da steht auch irgendwo noch die Wiege herum, die ist genauso gut“, meinte Robbie. „Mit dem Essen komme ich natürlich allein klar, und da wir gerade davon sprechen: Du gehst besser mit dem Kind nach oben, bevor die Damen eintrudeln.“
Das ließ May sich nicht zweimal sagen. In ihrem stillen, friedlichen Zimmer legte sie Nancie in die Kinderwagentasche, dann machte sie sich auf die Suche nach der Wiege, die sie auch gleich fand und reinigte.
Da das Möbelstück nicht allzu schwer war, konnte sie es allein ins Schlafzimmer tragen und am Fuß ihres Betts aufstellen. Sie bestückte es mit einigen Kissen, von denen es ja genug gab, im Gegensatz zu Kinderbettzeug, und legte Nancie in ihr neues Nestchen.
„So, meine Süße, hier hast du es fein, oder?“
Das schien das Baby auch zu finden, denn es gluckste zufrieden, als May die Wiege schaukelte und leise ein Schlaflied zu summen begann, dessen Worte sie längst vergessen hatte.
„Wie hübsch!“, erklang es unerwartet.
May blickte hoch und sah Adam an der Tür lehnen. „Wie lange stehst du schon da?“
„Lang genug. Robbie hat mich angewiesen, im Morgensalon auf die Dame des Hauses zu warten, aber ich wollte lieber mein Gepäck nach oben in mein Zimmer bringen. Keine Sorge, ich habe die Hintertreppe benutzt“, fügte er ironisch hinzu.
„Sei doch nicht so empfindlich! Robbie hatte wahrscheinlich nur Angst, dass du Nancie aufweckst.“
„Wenn du meinst?“ Er kam zu ihr und beugte sich neben ihr über die Wiege. „Wie viele Generationen von Coleridges darin wohl schon geschlafen haben?“
„Sehr viele.“ Womöglich auch die Kinder des Manns, dem ich die Testamentsklausel und somit meine Schwierigkeiten zu verdanken habe, überlegte May.
„Alles in diesem Haus sieht aus, als wäre es schon immer hier gewesen“, meinte Adam nachdenklich.
„Das meiste ist es auch“, bestätigte sie. „Leider fehlt etwas Wichtiges, und das ist ein richtiges Kinderbett. Das habe ich letztes Jahr verschenkt. Nach dem Mittagessen besorge ich eins im Einkaufszentrum.“
„Wir können das gemeinsam erledigen, während wir unterwegs sind“, schlug er vor.
„Unterwegs?“
„Ja. Ich bin hier, um dich abzuholen und zum Standesamt zu begleiten. Für die Formalitäten. Man hat uns einen Termin für den neunundzwanzigsten November gegeben.“
„Den neunundzwanzigsten“, wiederholte sie wie benommen.
„Ja. Früher geht es nicht, weil das Aufgebot mindestens sechzehn Tage vor der Eheschließung bestellt werden muss“, erläuterte Adam. „Die Trauung ist für zehn Uhr morgens angesetzt. Übrigens ist der neunundzwanzigste ein Montag. Hoffentlich hast du da nichts geplant, was sich nicht verschieben lässt.“
„Nein, montags habe ich nie Kurse. Hast du denn Zeit, Adam?“
„Ich kann ganz sicher eine halbe Stunde erübrigen. Du willst doch vermutlich auch nur eine ganz einfache Trauung ohne Ansprache und Musik?“
An die Zeremonie hatte May noch gar nicht gedacht. Das hieß, nicht mehr, seit sie ein Teenager gewesen war und sich ihre Hochzeit in allen Einzelheiten ausgemalt hatte: Sie schwebte in einem atemberaubenden Hochzeitskleid Größe
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